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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind
Autoren: Marcia Willett
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etwas ergeben.
    Imogen räumte die Spülmaschine ein und kochte Kaffee. Im Wohnzimmer hatte Julian das Feuer angezündet. Mit der Fernbedienung in der Hand stand er da und zappte durch die Kanäle.
    »Kommst du nicht?«, fragte er und stellte seinen Kaffeebecher auf dem kleinen Beistelltisch neben dem großen, bequemen Sofa ab.
    »Ich will nur eben nach Rosie sehen.«
    Sie rannte die Treppe hinauf und blieb an der Tür des kleinsten Zimmers stehen. In dem Licht, das vom Treppenabsatz her einfiel, sah sie, dass Rosie friedlich und vollkommen entspannt schlief. Imogen stand ganz still da und spürte die vertraute Mischung aus Liebe und Angst, die sie beim Anblick ihrer Tochter immer ergriff. Dieser kleine Mensch war so zart und verletzlich. Diese Eigenschaften wurden jedoch mitunter von Rosies Dickkopf überlagert, wenn sie ihre Eltern mit ihrer Entschlossenheit, zu bekommen, was sie wollte, frustrierte und ermüdete. Aber im Allgemeinen war sie ein braves Kind. Imogen hoffte, dass die Kleine weder die Rastlosigkeit, die ihren Onkel Matt umtrieb und ihm Albträume bereitete, noch Jules’ Neigung, sich Sorgen zu machen, geerbt hatte, sondern gemeinsam mit dem blonden Haar und den blauen Augen der Mutter auch deren heiteren Charakter aufwies.
    Seit ihrer Hochzeit und der Geburt ihres Babys wünschte Imogen sich, auch Matt könne diesen Reichtum erleben: die Freude, mit jemandem zusammen zu sein, dem man vertraute, die Freude, das Leben mit jemand Besonderem zu teilen. Das hatte sie einmal auch Lottie gegenüber erwähnt.
    »Aber will Matt das wirklich?«, hatte Lottie gefragt. »Er hat vielleicht andere Vorstellungen davon, was Erfüllung ist, als du.«
    Darüber hatte Imogen nachdenken müssen. »Aber nicht einmal sein toller Erfolg als Autor hat ihm inneren Frieden geschenkt, oder?«, hatte sie eingewandt. »Was also will er?«
    Lottie hatte den Kopf geschüttelt. »Du weißt doch, wie komplex er ist und welche Albträume er hat. Er ist auf der Suche nach etwas, obwohl ich mir nicht sicher bin, was es ist. Aber ich habe so ein Gefühl, dass wir es vielleicht bald erfahren werden ...«
    Dann hatte sich ihr Blick geweitet und war abgeschweift, und Lotties Augen hatten sich auf etwas gerichtet, was allein sie sehen konnte. Es war, als sei sie in eine andere Dimension, in eine andere Welt, eingetreten – eine vertraute Gewohnheit bei Lottie, die bei Imogen jedoch selbst nach all den Jahren noch Beklommenheit auslöste.
    »Was ist?«, hatte sie beinahe ängstlich gefragt.
    Aber Lottie hatte nur beruhigend gelächelt und sich geweigert, ihr zu antworten.
    Imogen ließ ihre schlafende Tochter allein und ging nach unten. Julian hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht, und sie setzte sich neben ihn, zog die Beine unter den Körper und legte die Wange an seine Schulter. Seine Stabilität und Wärme beruhigten sie und schenkten ihr Kraft.
    »Okay?«, fragte er, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.
    »Ganz entschieden okay«, antwortete sie.

3. Kapitel
    A m nächsten Morgen schlief Milo lange. Lottie machte Porridge und setzte sich an den Tisch, um das Kreuzworträtsel aus dem Teleg raph vom Vortag zu lösen. Aber es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Da sie später zum Einkaufen nach Porlock fahren wollte, begann sie eine Liste auf dem Schreibblock anzulegen, der zu diesem Zweck neben einem kleinen Tontopf voller Kugelschreiber und Bleistifte auf dem Bücherregal neben dem Tisch lag. Imogen hatte ihn in der Schule getöpfert, als sie acht war. »Tee«, schrieb Lottie. »Hundefutter. Apotheke.«
    Milo kam herein. Er zog die Augenbrauen hoch, lächelte leise, nickte – mehr Umgangsformen vermochte er erst aufzubringen, nachdem er zwei Tassen Kaffee getrunken hatte – und erwiderte Puds Begrüßung, indem er sich bückte und ihn ziemlich mechanisch tätschelte. Pud hockte sich wieder zu Lotties Füßen, und Milo ging durch den Bogengang in die Küche, setzte den Kessel auf die Kochplatte und warf einen fragenden Blick zurück in Lotties Richtung.
    »Kaffee? Ja, bitte«, antwortete Lottie automatisch, schrieb aber weiter an ihrer Einkaufsliste. »Gemüse. Spülmittel. Metzger.« Milo würde ihr sicher noch Erläuterungen zum Fleisch geben wollen.
    Er trat zu ihr und spähte über ihre Schulter. »Käse«, murmelte er. Sie setzte ihn auf die Liste.
    »Sehr nettes Essen gestern Abend«, sagte sie.
    Milo hob das Kinn und schürzte die Lippen, um das Kompliment zu würdigen, und Lottie lachte leise.
    »Aber ehrlich«,
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