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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind
Autoren: Marcia Willett
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gar nicht richtig gelebt hatte. Manchmal hatte er ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er sich freuen und lachen konnte, während sie in Melancholie versank.
    »Aber warum sollten wir uns schuldig fühlen?«, pflegte Imogen einzuwenden. »Als Daddy starb, war ich viel zu jung, um mich richtig an ihn zu erinnern, und du warst erst vier. Es wäre doch vollkommen unvernünftig, wenn wir unser ganzes Leben lang unglücklich wären. So, wie Lottie Daddy schildert, hätte er gewollt, dass wir jede Minute genießen. Würde Mum nur aufhören, ihren Schmerz mit Alkohol zu betäuben, könnte sie das auch verstehen.«
    »Warum?«, hatte er Lottie als Junge einmal gefragt. »Warum spricht Mum nicht mehr? Ich meine, nicht richtig.«
    Lottie hatte den Kopf geschüttelt, offensichtlich genauso verwirrt wie er darüber, dass sich Kummer als selbst auferlegtes Schweigen äußern konnte. Es war, als habe seine Mutter Angst zu sprechen, damit sie nichts sagen konnte, was sie bereuen würde. Irgendwann war Matt froh, dass er weggehen und seine Mutter Lottie überlassen konnte, obwohl er auch deswegen Schuldgefühle hatte. Wie er Imogen um ihre Unbeschwertheit beneidete!
    »Lottie muss ja nicht bleiben«, pflegte sie zu sagen. »Sie hat die Wahl, und sie meint, dass sie so, wie die Dinge stehen, ziemlich glücklich ist. Außerdem kann sie immer zu Milo fahren. Hör auf, dir Gedanken zu machen, Matt!«
    Matt trank seinen Kaffee aus und begab sich zurück zum Wagen. Der Nieselregen hatte aufgehört. Während des Rests der Fahrt ließ er das Radio laufen, um sich abzulenken und seinen Geist zu beschäftigen.
    Es war fast acht Uhr, als er schließlich von der A39 nach Allerford abbog und über die lange, schmale Straße nach Bossington fuhr. Als er den kleinen Bach Aller Brook überquerte und über das Viehgitter am Fuß der Auffahrt polterte, sah er oben auf dem Hügel die hell erleuchteten Fenster von High House .
    »Lottie hat angerufen, um zu sagen, dass Matt angekommen ist«, erklärte Imogen auf der Schwelle zum Wohnzimmer. »Jetzt bin ich froh, dass ich ihn angerufen habe. Ich hätte aber ehrlich nicht geglaubt, dass er sich einfach in den Wagen setzt und gleich losfährt. Er grübelt zu viel. Die Abwechslung wird ihm guttun. Lottie sagt, er sieht gut aus. Venetia bleibt zum Essen. Ach, ich wünschte, wir wären auch dort. Was meinst du?«
    »Nein«, gab Julian zurück. Er stapelte Holzscheite in dem großen offenen Kamin, folgte ihr dann durch die schmale Diele in die Küche und wusch sich über dem Spülbecken die Hände. »Ich bin müde und hungrig und möchte im Fernsehen Life on Mars – Gefangen in den 70ern anschauen. Klar, ich liebe sie alle, aber heute Abend kann ich ohne sie leben. Gott sei Dank habe ich heute keinen Bereitschaftsdienst und kann was trinken. Möchtest du auch was, Im?«
    Er hielt die Weinflasche in die Höhe, und sie nickte. Julian reichte ihr ein Glas und schenkte sich selbst ebenfalls ein. »Nichts Neues an der Hausfront?«
    »Nichts, was wir uns wirklich leisten könnten.« Sie gab Pasta auf vorgewärmte Teller und stellte sie auf die breite Theke aus Kiefernholz, die die Einbauküche von dem Rest des großen, hellen Raums abtrennte. »Ich kann mich nicht entscheiden, ob wir in Panik verfallen sollen oder nicht. Ich wünschte, wir könnten hierbleiben, aber Piers sagt, er hätte Reservierungen für Ostern. Um ehrlich zu sein, hätte ich gedacht, dass wir etwas mehr Geld von Mum erben würden. Ich hatte ja keine Ahnung, wie teuer die Pflege war. Es war ein kleiner Schock.«
    »Ist nicht so tragisch.« Er trug die Teller zum Tisch. »Da ist noch das Cottage in Exford. Wenn wir wirklich in der Patsche sitzen, wäre das auch okay. Ich weiß, dass es nicht gerade unser Traumhaus ist, aber schließlich wollten wir ja vor allem ins Exmoor, oder? Das ist das Wichtigste. Manchmal muss man eben Kompromisse schließen. Und die Scheune in Goat Hill ist auch immer noch da. Alles kurze Wege: Bis in die Praxis nach Simonsbath sind es kaum zehn Minuten zu fahren, und du hättest die Dorfläden in Challacombe und Exford zum Einkaufen. Billy Webster meint, wir könnten die Scheune mieten, sobald das Haus seines Sohns bezugsfertig ist. Und so, wie es aussieht, ist es jeden Moment so weit. Der arme alte Billy ist die Feriengäste leid und hätte gern einen Langzeitmieter.«
    »Ich weiß.« Sie setzte sich ihm gegenüber. »Ich muss sie mir mal ansehen, falls sein Sohn nichts dagegen hat. Aber ich würde lieber etwas Eigenes
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