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Das verborgene Feuer

Das verborgene Feuer

Titel: Das verborgene Feuer
Autoren: Elizabeth Hunter
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verzichten, öffnete er das Fenster zum Vorgarten und erfreute sich an der Nachtluft, die nach dem Gras roch, das die Gärtner am Nachmittag zusammengeharkt hatten.
    Eine Stunde später hielt er inne, als Giovanni die Tür zum Musikzimmer abschloss, überlegte, welches Instrument ihn an diesem Abend fesseln könnte, und betete darum, es möge nicht das laute Schlagzeug sein. Erleichtert seufzte er auf, als er die ersten Töne des Klaviers vernahm. Wegen Giovannis Nachdenklichkeit am frühen Abend rechnete er mit Bach und war erstaunt, eine unbekannte Melodie von Satie aus dem ersten Stock aufsteigen zu hören.
    »Etwas ist seltsam an diesem Vater. Er kam vor zehn Jahren in Italien ums Leben.«
    Caspar runzelte die Stirn, als er sich an das vertraute Leuchten in Giovannis Augen erinnerte. Seit fast fünf Jahren hatte er ihn nicht mehr so strahlen sehen. Etwas in ihm hatte gehofft, diesen Glanz nie wieder sehen zu müssen.
    »Was führst du im Schilde, Gio?«, murmelte er in sich hinein und sah dabei durchs offene Fenster.
    Die sanften Dissonanzen des Klaviers waren unerwartet verwirrend für ihn, während er in seinem Lieblingsstuhl saß. Eine Brise kam durchs Fenster und trug ihm den erdigen Geruch nahen Regens zu. Caspar stand auf, trat ans Fenster und schloss es gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment begannen dicke Tropfen zu fallen.

2
    Houston, Texas
    September 2003
    »Oma! Ich komme zu spät zur Uni!«
    »Eine Aufnahme noch, Mariposa, lass mich eben kurz … na bitte. Und diesmal war das Licht genau richtig.«
    Isadora Alvarez De Novo setzte lächelnd die Kamera ab. Beatrice erhob sich von dem kleinen Tisch am Fenster und ergriff ihre Tasche, die sie auf den Boden gestellt hatte.
    »Malst du heute Nachmittag?« Sie beugte sich vor und gab ihrer Großmutter einen Kuss auf die runzlige Wange.
    »Aber ja. Ich bin den ganzen Tag im Atelier. Kommst du zum Abendessen nach Hause?«
    »Nein. Heute ist doch Mittwoch – da arbeite ich immer bis spät.«
    »Ach ja – der Tag des gut aussehenden Professors.«
    Sie schnaubte. »Er ist kein Professor, Oma. Er hat nur seinen Doktor und forscht in der Bibliothek. Ehrlich gesagt – ich weiß nicht genau, was er macht.«
    »Nur dass er groß und dunkel ist und gut aussieht?«
    Beatrice verdrehte die Augen. »Dass er anspruchsvoll, förmlich und wortkarg ist, meinst du wohl?«
    »Das sagst du – vermutlich ist er bloß schüchtern. Vielleicht, weil er Europäer ist.«
    Beatrice schüttelte den Kopf und füllte den Espresso, den ihre Großmutter gekocht hatte, in ihre Tasse. »Keine Ahnung. Er ist rätselhaft – so viel steht fest.«
    »Spricht er denn nie mit dir?«
    Die junge Frau zuckte die Achseln. »Doch, manchmal. Er ist immer höflich. Ich habe versucht, mich mit ihm zu unterhalten, aber er ist sehr … konzentriert und wirkt immer in seine Arbeit vertieft. Aber ich könnte schwören, er hat mich mehr als einmal beobachtet.«
    Ihre Großmutter lächelte. »Du bist sehr schön, Beatrice. Er müsste blind sein, wenn er das nicht bemerkte.«
    Ihre Enkelin lachte leise. »Ich glaube, das ist es nicht. Er taxiert mich nicht; er beobachtet mich eher.«
    Die alte Frau bekam große Augen. »Ist er etwa schwul? Das wäre ja eine Enttäuschung. Obwohl – vielleicht könnte ich ihn dann Martas Sohn vorstellen –«
    »Oma!«, rief Beatrice lachend. »Ich habe keine Ahnung. Es geht mich nichts an. Ich sollte mich schämen, über unsere Nutzer so zu tratschen. Und ich muss jetzt wirklich los.«
    »Gut, aber suche dir einen netten Jungen, mit dem du Spaß hast. Der letzte war so langweilig.«
    Beatrice verließ das Haus. »Ich werde sehen, was sich machen lässt«, rief sie. »Bye!«
    Sie eilte aus der Tür und die Treppe des kleinen Gebäudes nahe der Rice University hinab, in dem sie bei ihren Großeltern aufgewachsen war. Als sie an der Eiche vorbeikam, in deren Schatten die Einfahrt lag, sah sie die dunklen Buchstaben, die vor bald vierzig Jahren in den Stamm geschnitzt worden waren.
    S . D.
    Stephen De Novo. Sie stieg in ihr kleines Auto. Anders als dem neugierigen Dr. Vecchio gegenüber behauptet, prägte die Leere, die sein Verlust hinterlassen hatte, ihr Leben noch immer. Trotz seiner vielfältigen Unternehmungen waren sie und ihr Vater sich sehr nahe gewesen. Und seit dem Tod ihres Großvaters waren nur noch Beatrice und Isadora von der einst so eng verbundenen Familie De Novo übrig.
    Sie bog auf den Parkplatz der Universität ein, steuerte die nächste freie
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