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Das Vamperl

Das Vamperl

Titel: Das Vamperl
Autoren: Renate Welsh
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angeordnet.«
    »Aber warum?«
    »Er hat es angeordnet«, wiederholte die Ärztin.
    »Warum?«, wiederholte Frau Lizzi.
    Die Ärztin zuckte mit den Schultern. »Einen Herrn Professor fragt man nicht!«
    »Und ich frage auch nicht, wenn ich ihn jetzt herauslasse«, erklärte Frau Lizzi.
    Vamperl flog auf ihren Kopf. Er kuschelte sich in ihren Haarknoten. »Ist schon gut, mein Kleiner«, sagte sie. »Ist schon gut.«
    Es war aber leider nicht gut.
    Professor Obermeier wurde sehr böse, als er Vamperl auf Frau Lizzis Kopf sah.
    »Das ist völlig unmöglich! Ein städtischer Giftsauger darf nicht mit Schmutz in Berührung kommen.«
    Frau Lizzi war beleidigt. »Also erlauben Sie! Meine Haare sind nicht schmutzig! Die sind frisch gewaschen.«
    Professor Obermeier erklärte, dass er nicht diesen Schmutz meinte. »Es geht um Krankheitserreger und die sind überall.«
    Vamperl musste unter den Glassturz zurück.
    Er ließ den Kopf hängen.
    Er kaute an seinen Flügelspitzen.
    Er blickte nicht einmal auf, als Frau Lizzi an die Glocke klopfte.
    »Er wird sich bald eingewöhnen«, sagte Professor Obermeier. »Sie werden schon sehen.«
    Frau Lizzi hoffte, dass er Recht hatte.
    Glauben konnte sie es nicht.
    Vamperl durfte nun nicht mehr den Leuten das Gift aus der Galle saugen, wenn sie böse waren.
    Er musste das Gift saugen, das ihm Professor Obermeier vorschrieb.
    Am ersten Tag im Krankenhaus saugte Vamperl fünf verschiedenen Patienten fünf verschiedene Gifte ab.
    Professor Obermeier war glücklich. Er schrieb Briefe an alle berühmten Professoren der Welt und lud sie in sein Krankenhaus
     ein. Die Patienten waren auch glücklich. Ein Mann allerdings bekam einen Schreikrampf, als er Vamperl erblickte, und eine
     Frau wurde ohnmächtig.
    »Es wäre zu schade gewesen, wenn er nur bei der Galle geblieben wäre«, sagte Professor Obermeier. »Seine Talente wären verkümmert.«
    Vamperl hörte auf dem Gang vor seinem Zimmer zwei Menschen streiten. Und er saß unter dem Glassturz undkonnte nicht eingreifen. Er faltete die Flügel über dem Kopf zusammen. So sah niemand, dass er weinte.

    Frau Lizzi war ebenfalls zum Weinen zu Mute. Aber als ihr Professor Obermeier sagte: »Vamperl hat einem todkranken Patienten
     geholfen«, freute sie sich sehr. Trotzdem war ihr schwer ums Herz.
    Am Abend erzählte Frau Anna: »Stellen Sie sich vor, Frau Lizzi, heute war wieder ein Autozusammenstoß an unserer Ecke. Schrecklich,
     sage ich Ihnen. Da hat man schon gedacht, es wäre besser geworden. Aber so ist das eben.«
    Frau Lizzi nickte traurig.
    Im Oberstock hörte man Ohrfeigen klatschen. Gleich darauf hörte man Hannes heulen.
    Am nächsten Tag wurde es noch schlimmer.
    Als Professor Obermeier den Glassturz hochhob, stand Frau Lizzi neben ihm. Vamperl sah sie nicht an. Er tat, was der Professor
     verlangte. Aber er zeigte seine spitzen Zähne und fauchte. Das hatte er früher nie getan.

    Frau Lizzi musste schlucken und noch einmal schlucken.
    Ihre Brille lief an. Es half nichts, wenn sie sie putzte.
    Am Abend ging Frau Lizzi noch einmal zum Vamperl.
    Er lag unter seinen zerknitterten Fledermausflügeln.
    Frau Lizzi hob den Rand der Glocke an. »Ich bin’s«, flüsterte sie.
    Er rührte sich nicht.
    »Ich singe dir dein Lied vor, ja?« Ihre Stimme zitterte. »Dann wirst du gut schlafen.« Sie begann zu summen:
    »Morgens, schon in aller Frühe,
    wird mein Vamperl munter...«
    Er zog die Oberlippe hoch und knurrte. An diesem Abend konnte Frau Lizzi nicht einschlafen.
    Sie hörte die Turmuhr schlagen, jede Viertelstunde.
    Sie hörte die Autos sausen.
    Sie hörte ihr Herz klopfen.
    Am nächsten Morgen taten ihr alle Gelenke so weh wie nie zuvor.
    Sie fuhr ins Krankenhaus und lief in Vamperls Zimmer. Professor Obermeierwar schon da und beugte sich besorgt über die Glasglocke. Vamperl war geschrumpft.

    Er war nur mehr so groß wie ein Mittelfinger.
    Vor zwei Tagen war er noch eine Spanne lang gewesen.
    »Ich nehme ihn heim«, sagte Frau Lizzi.
    »Das wäre sein Tod«, sagte Professor Obermeier. »Wir müssen ihn behandeln!«
    Der Professor gab sich alle Mühe.
    Vamperl bekam Injektionen und Pillen.
    Er bekam Schonkost und Vitamine.
    Er bekam Höhensonne und Lebertran.
    Es half alles nichts. Er schrumpfte weiter.
    Die Haut hing in Falten um seinen mageren Körper.
    Selbst seine spitzen Vampirzähne schrumpften.
    Am dritten Tag musste Professor Obermeier die starke Lesebrille aufsetzen um ihn überhaupt zu sehen.
    Frau Lizzi schrumpfte
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