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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil
Autoren: John T. Lescroart
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die Gelegenheit einräumen würde - er würde vermutlich die Erlaubnis bekommen anzufangen. Aber sein Spielraum war streng begrenzt - sofern etwas nicht im Protokoll stand, würde sie ihm nicht gestatten, es morgen zum ersten Mal zur Sprache zu bringen, soviel war sicher.
    Frannie k üßte ihn oben auf den Kopf und ging ins Schlafzimmer. Er sah, daß das Licht ausging. Klugerweise hatte sie ihn für heute abend aufgegeben.
    Er stand auf und schnappte sich das Telefon, zog es um die Ecke in den Werkraum hinter der Küche. Er machte hinter sich die Verbindungstür zu.
    Das Telefon läutete fünfmal, bevor eine müde Stimme antwortete.
    »Nancy, tut mir leid, daß ich Sie aufwecke, aber es gibt da noch eine letzte Sache, die ich wissen muß.«

54
    Um halb acht stand er vor dem Justizpalast. Selbst zu dieser frühen Stunde begannen die Reporter bereits zu schwärmen. Heute war der Tag des Urteils, und das lockte sie an wie der Klee die Bienen. Draußen auf der Bryant waren drei mobile Übertragungswagen geparkt, und verschiedene Grüppchen von Medienleuten schlürften Kaffee aus Styroporbechern und aßen Plunderstücke dazu.
    Als Hardy sich dem Justizgebäude näherte, erkannte ihn einer der Zeilenschinder und kam herangetrabt, bat ihn um eine Stellungnahme. Hardy blieb stehen, es drehte sich ihm der Magen um. Er wollte mit alldem nichts zu schaffen haben. Es könnte ihm Pech bringen. »Was will man schon sagen? Es ist noch nicht passiert. Das Urteil ist noch nicht bestätigt worden.« Kau da drauf rum, dachte er bei sich.
    Andere schloßen sich an:
    »Haben Sie neues Beweismaterial?«
    »Was halten Sie von Dean Powell als Generalstaatsanwalt?«
    Hardy mußte lachen. »Sagen wir, ich sähe ihn lieber in Sacramento als in meinem Gerichtssaal.«
    »Glauben Sie, daß Jennifer Witt hingerichtet wird?«
    Das machte alle wieder nüchtern. Das hier war die Wirklichkeit. Hardy hatte kein Interesse daran, zu diesem Zeitpunkt die Dinge zu beeinflussen. Villars hatte alle Beteiligten davor gewarnt, mit den Zeitungen und dem Fernsehen zu reden, und es wäre unverantwortlich, wenn er heute morgen vor Gericht seinen Fall überzeugend darlegte und Villars ihn dann wie Powell und Freeman im Fernsehen den großen Max markieren sähe, während sie ihre Entscheidung abwog. Er machte sich also wieder auf den Weg. Es tue ihm leid, er könne keinen Kommentar abgeben. Durch den Ring der Reporter erspähte er David Freeman, wie sein Kollege gerade aus der 7th Avenue in die Bryant abbog. Es hätte eigentlich eine überraschende Erleichterung sein sollen - ein Verbündeter, mit dem er reden konnte -, aber er hatte auch auf Freeman alle Lust verloren. Trotzdem war es nett von dem Alten, daß er gekommen war und sich solidarisch zeigte, mit den Medien sprach, wenn er die Gelegenheit dazu bekam, und dafür würde Hardy schon sorgen. »Hier kommt David Freeman«, sagte er und zeigte in seine Richtung.
    Der Schwärm summte hinüber zum nächsten Kleefeld, und Hardy flüchtete sich die breiten und schmutzigen Stufen hinauf in die Vorhalle, durch den Metalldetektor und in einen leeren Aufzug hinein, hinab zu den Schließfächern mit den Beweisstücken, um dann schließlich im dritten Stock in einem verlassenen Zimmer, das bei der Auswahl von Geschworenen Verwendung fand, Zuflucht zu suchen.
    Heute war der Tag der eleganten Anzüge.Der Staatsanwalt und der Verteidiger waren identisch angezogen - schwarzer Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte. Auf Hardys Schlips prangte ein nahezu unsichtbares Muster aus winzigen blauen Rauten. Ungehemmte Extravaganz.
    Sie hatten sich im Gerichtssaal versammelt. Als er den Gang hinaufging, begrüßte Hardy Freeman und Lightner, die nebeneinander Platz genommen hatten. Er händigte Lightner die eidesstattliche Erklärung aus, die er für ihn vorbereitet hatte und wartete mit Freeman plaudernd ab, bis der Psychiater das Papier gelesen und nach dem Einfügen einiger Verbesserungen hier und da unterschrieben hatte.
    Hardy nickte Powell zu, der sich über seinen Tisch beugte; heute morgen war er allein. Sein Assistent Morehouse mußte nicht dabeisein, hatte er sich wohl gedacht. Das Ganze würde nicht lange dauern.
    Jetzt kam Jennifer durch die Tür. Sie war schlicht angezogen - dunkle flache Pumps und ein blauer Rock, dazu eine weiße Bluse mit einem schmalen Kragen. Kein Make-up. Kein Schmuck. Als der Justizwachtmeister sie zu ihrem Platz begleitet hatte und wegging, drehte sie sich um und schaute sich im Zuschauerraum um,
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