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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm
Autoren: authors_sort
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bevorstand, der vor über hundert Jahren eingelagert worden war. Er wollte sich mit einem Liter Whisky und einem Billardkö als Willkommensgeschenk in Newpest einfinden. Er war mit Geschichten aufgewachsen, wie sein Urgroßvater seine Zeit in den Billardsalons von Kanagawa verbracht hatte. Der Mann wurde eingeliefert, lange bevor Murakami geboren war.
    Ich entdeckte mein Empfangskomitee, als ich die Stufen zur Halle hinunterschritt. Drei hohe Silhouetten hatten sich um eine Sitzbank versammelt, bewegten sich unruhig im schräg einfallenden Sonnenlicht und erzeugten Wirbel im Staub, der in der Luft schwebte. Eine vierte Gestalt saß auf der Bank, die Arme verschränkt, die Beine ausgestreckt. Alle vier trugen Reflexsonnenbrillen, die ihren Gesichtern aus einiger Entfernung das Aussehen identischer Masken verliehen.
    Da ich bereits Kurs auf die Tür gesetzt hatte, verzichtete ich darauf, mich in ihre Richtung zu bewegen, und das schien ihnen erst aufzufallen, als ich die Halle bereits zur Hälfte durchquert hatte. Zwei aus der Gruppe liefen los, um mich abzufangen, mit der Gelassenheit großer Raubkatzen, die man vor kurzem gefüttert hatte. Sie waren kräftig gebaut und hatten gepflegte rote Mohikanerfrisuren. Ein paar Meter voraus versperrten sie mir den Weg, sodass ich gezwungen war, entweder stehen zu bleiben oder einen abrupten Richtungswechsel zu vollführen, um ihnen auszuweichen. Ich blieb stehen. Wer als Neuankömmling in einem neuen Sleeve auftrat, sollte es tunlichst unterlassen, sich mit den einheimischen Gesetzeshütern anzulegen. Ich bemühte mich, mein zweites Lächeln dieses Tages zuwege zu bringen.
    »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Der Ältere der beiden zeigte mir flüchtig eine Dienstmarke und steckte sie sofort wieder ein, als könnte sie an der Luft Rost ansetzen.
    »Polizei von Bay City. Der Lieutenant möchte sich mit Ihnen unterhalten.« Der Satz klang wie abgeschnitten, als müsste er seinen Drang unterdrücken, ihn mit einem beleidigenden Zusatz abzuschließen. Ich versuchte den Eindruck zu erwecken, als würde ich ernsthaft darüber nachdenken, ob ich diesem Wunsch Folge leisten sollte oder nicht, aber sie wussten genauso gut wie ich, dass ich keine Wahl hatte. Wenn man erst vor einer Stunde den Tank verlassen hatte, kannte man seinen neuen Körper noch nicht gut genug, um sich auf eine Schlägerei einlassen zu können. Ich verdrängte die Bilder, wie Sarah gestorben war, und ließ mich von ihnen zum Kollegen auf der Bank führen.
    Der Lieutenant war eine Frau in den Dreißigern. Unter den goldenen Scheiben ihrer Sonnenbrille wölbten sich Wangenknochen, die sie einem indianischen Vorfahren zu verdanken hatte, und Lippen, die zu einem süffisanten Ausdruck auseinander gezogen waren. Die Sonnenbrille wurde von einer Nase getragen, mit der man Konservendosen hätte öffnen können. Kurzes, unordentliches Haar rahmte das Gesicht ein und stand über der Stirn in Spitzen ab. Sie hatte sich in eine übergroße Kampfjacke gehüllt, aber die langen Beine in den schwarzen Leggings, die darunter hervorragten, verrieten eindeutig, dass ihr Körper recht zierlich gebaut war. Die Arme über der Brust verschränkt blickte sie fast eine Minute lang zu mir auf, bevor sie sagte: »Es heißt Kovacs, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Takeshi Kovacs?« Ihre Aussprache war tadellos. »Von Harlans Welt? Von Millsport über die Kanagawa-Vollzugsanstalt eingetroffen?«
    »Erzählen Sie einfach weiter. Ich unterbreche Sie, wenn irgendein Punkt nicht stimmt.«
    Die spiegelnden Linsen hielten eine Weile inne. Dann zog sie langsam eine Hand aus der Verschränkung hervor und musterte die Finger.
    »Haben Sie eine Genehmigung für diese Art von Humor, Kovacs?«
    »Tut mir Leid. Hab sie zu Hause liegen gelassen.«
    »Und was führt Sie zur Erde?«
    Ich vollführte eine ungeduldige Geste. »Das wissen Sie doch längst. Sonst wären Sie gar nicht hier. Haben Sie mir etwas Substanzielles zu sagen, oder haben Sie diese Jungs hier nur zu Ausbildungszwecken mitgebracht?«
    Ich spürte, wie sich eine Hand um meinen Oberarm legte, und spannte mich an. Der Lieutenant reagierte mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung, worauf der Polizist, der hinter mir stand, mich wieder losließ.
    »Beruhigen Sie sich, Kovacs. Ich möchte nur ein wenig mit Ihnen plaudern. Ja, ich weiß, dass Laurens Bancroft Sie rausgeholt hat. Ich bin sogar hier, um Ihnen eine Mitfahrgelegenheit zum Bancroft-Anwesen anzubieten.« Plötzlich beugte sie sich vor und
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