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Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen

Titel: Das Traumcafé einer Pragerin - Erzaehlungen
Autoren: Lenka Reinerová
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fröhlicher junger Mann, der gut Gitarre spielte und hübsch dazu sang. Nach dem Krieg hatte er fast immer feuchte Hände, wurde oft von unbestimmter, niederdrückender Angst befallen. Aber als ich im Laufe der politischen Verfolgungswelle unter den kommunistischen Regimen in den fünfziger Jahrenverhaftet wurde, war Nora der einzige, der dagegen bei der entsprechenden Behörde Protest einlegte, wie ich viel später, übrigens von Karel Reiner, erfuhr. Das brauchte Mut selbst von einem weniger von Schreckensvorstellungen geplagten Menschen als Norbert Frýd. Er trat auch beim ersten Prozeß über die Verbrechen im KZ Dachau als Zeuge auf. Über seine Erlebnisse und Erfahrungen als Lagerhäftling hat er eines seiner bemerkenswertesten Bücher geschrieben, »Die Kartei der Lebenden«.
    »Du hast es gut, Nora«, rufe ich ihm durch den über Prag lastenden Schmutznebel zu, »kannst von deinem transparenten Firmament aus sicherlich ab und zu auch einen Blick auf unser Mexiko werfen.« Ich sage »unser« Mexiko, denn ich habe dort während des Krieges in der Botschaft der tschechoslowakischen Exilregierung gearbeitet, Frýd war der erste Kulturattaché der neu errichteten Tschechoslowakischen Republik nach Kriegsende. Er brachte eine prächtige Sammlung von Indianermasken mit, die er später, vor allem bei seinen Reisen nach Kalkutta, Sumatra usw. noch erweiterte. Allein, dieser Besitz, der für ihn mit seiner fremdartigen außerordentlichen Schönheit eine ständige Quelle der Freude war, bildete zugleich auch eine ständige Quelle seiner Besorgnis, seiner hinter dem Stacheldraht erworbenen panischen Angstvorstellungen: die kostbaren Masken könnten irgendwie beschädigt, wenn nicht gar, Gott behüte, gestohlen werden.
    »Sogar von hier aus«, antwortet er seufzend auf meine Frage, »selbst von hier hat man nur selten einen halbwegs klaren Ausblick auf Mexico Ciudad. Seit wir beide dort waren, ist die Stadt zu groß geworden, hat zu viele Menschen und viel zu viel Luftverpestung.«
    »Kannst du von deiner erhabenen Position aus nichts dagegen veranlassen?«
    »Kaum«, meint er traurig, »hier oben vertritt man an höchster Stelle die Ansicht, erst müßt ihr dort unten einsehen, daß ihr den euch zur Verfügung gestellten Planeten nicht weiter so rücksichtslos fertigmachen dürft.«
    »Verzeih, Nora«, sage ich, um unser Gespräch nicht gerade an diesem neuralgischen Punkt abbrechen zu lassen, »du bewegst dich jetzt doch in nächster Nähe der berufensten Stelle für Schutzpatrone. Hast du ihnen den Schutz deiner Masken anvertraut? Das wäre doch eine große Erleichterung für dich.«
    Jetzt lächelt er wie in vergangenen Jahren. »Was Erleichterung anbelangt, so kannst du keine Ahnung davon haben, was für eine Portion davon einem hier geboten wird. Man schwebt ja geradezu in seiner Erleichterung. Manchmal finde ich, es sei des Guten beinahe zu viel. Aber faß das ja nicht als Beschwerde auf«, fügt er gleich noch irdisch besorgt hinzu, »es ist hier wirklich himmlisch, freilich muß man sich auch daran erst gewöhnen.«
    »Früher«, erklären die beiden nun der olympischen Runde, »früher haben wir ähnliche Probleme, wie sie die Lenka jetzt allein zu bewältigen sucht, nicht nur im Kaffeehaus gemeinsam in endlosen Gesprächen zerpflückt und überdacht, um sie tunlichst einer akzeptablen Lösung zuzuführen. Unsere astronomischen Telefonrechnungen waren übrigens das einzige greifbare Ergebnis solcher Dispute. Dann waren mit einem Mal, ohne daß wir es geahnt oder gar erwartet hätten, unsere Tage dort unten zu Ende, und jetzt muß sie sich mit all diesen Fragen ohne uns herumschlagen. Ein bißchen pathetisches Sinnieren sollte man ihr da doch zugestehen.«
    »Laßt euch den Kaffee, oder was immer man dort bei euch serviert, gut schmecken, Karlícek und Nora«, rufe ich ihnen ein wenig gerührt zu, »und trällert auch wieder einmal eines der übermütigen Lieder unserer gemeinsamen Aufbruchzeit. Bitte tunlichst laut, damit ein Windstoß etwas davon zu mir herunter fegen kann.«
    Es versteht sich von selbst, daß ich mein Prager Traumcafé überwiegend mit einheimischen Besuchern besetzt habe. Unter ihnen fehlt selbstverständlich auch Franz Carl Weiskopf nicht, der mein erster Chefredakteur war und von dem ich viel gelernt habe.
    Vor einigen Jahren litt ich nach einer schwierigen ärztlichen Behandlung an geradezu katastrophalem Haarausfall.
    »Franz«, rief ich in dieser haarlosen Epoche Weiskopf aus unserer
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