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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser
Autoren: Clive Barker
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schwitzend herein. Die Nachmittagssonne brannte vom Himmel. Er grinste sie an und zeigte ihr die unregelmäßige Reihe seiner Vorderzähne, in die sie sich als erstes verliebt hatte.
    »Freut mich, daß du kommen konntest«, sagte er.
    »Ich bin froh, wenn ich helfen kann …«, erwiderte sie, doch er hatte schon den Blick abgewandt – zu Julia hinüber.
    »Wie geht's?«
    »Ich werde gleich verrückt«, erklärte sie ihm.
    »Nun, du kannst dich jetzt von den Mühen erholen«, sagte er, »wir haben bei dieser Fuhre das Bett mitgebracht.« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu, doch sie reagierte nicht.
    »Kann ich beim Ausladen helfen?« bot Kirsty an.
    »Lewton und M.B. sind schon dabei«, kam Rorys Erwiderung.
    »Oh.«
    »Aber ich würde ein Königreich für einen Tee geben.«
    »Wir haben den Tee noch nicht gefunden«, erklärte ihm Julia.
    »Dann vielleicht einen Kaffee?«
    »Geht klar«, sagte Kirsty. »Und für die anderen beiden?«
    »Sie würden für eine Tasse Kaffee jemand umbringen.«
    Kirsty ging zurück in die Küche, füllte den kleinen Topf fast bis zum Überlaufen und stellte ihn wieder auf den Herd. Vom Flur herüber hörte sie, wie Rory das Ausladen des nächsten Möbelstücks beaufsichtigte.
    Es war das Bett; das Brautbett. Obwohl sie mit aller Macht dagegen ankämpfte sich vorzustellen, wie er Julia darauf umarmte, konnte sie es doch nicht verhindern. Während sie auf das Wasser starrte, bis es brodelte und dampfte und schließlich kochte, gingen ihr dieselben schmerzhaften Bilder immer wieder von neuem durch den Kopf.
    Das Trio war noch unterwegs, um die vierte und letzte Fuhre des Tages einzusammeln, als Julia endgültig die Flinte ins Korn warf und mit dem Auspacken aufhörte. Es war ein Desaster, sagte sie sich; alles war vollkommen ohne Sinn und Plan zusammengepackt und in den Teekisten verstaut worden. Sie mußte völlig nutzlose Gegenstände ausgraben, um endlich an die nötigsten Dinge heranzukommen.
    Kirsty behielt ihr Schweigen und ihren Platz in der Küche bei, wo sie die schmutzigen Tassen abwusch.
    Laut fluchend ließ Julia das Chaos hinter sich und ging vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen. Sie lehnte sich gegen den Türrahmen und atmete die von Blütenstaub vergoldete Luft ein. Obwohl es erst der 21. August war, haftete dem Nachmittag schon ein rauhes Aroma an, das vom Herbst kündete.
    Tatsächlich hatte sie den Überblick verloren, wie schnell der Tag vergangen war, denn als sie so dastand, begann eine Glocke zur Abendandacht zu läuten: Das Geläut hob sich und fiel in langsamen Wellen. Ein Geräusch, das zutiefst beruhigte. Es erinnerte sie an ihre Kindheit, wenn auch nicht – soweit sie sich besinnen konnte – an irgendeinen bestimmten Tag oder Ort. Ganz einfach daran, jung zu sein; und an viele Geheimnisse.
    Es war vier Jahre her, seit sie das letzte Mal eine Kirche betreten hatte: Genauer gesagt, an dem Tag, an dem sie Rory geheiratet hatte. Der Gedanke an diesen Tag – oder vielmehr an das Versprechen, das er nicht einzulösen vermocht hatte – ließ den Augenblick schal werden. Die Glocken läuteten noch immer, doch sie drehte sich um und ging zurück ins Haus. Nach dem Sonnenschein, der in ihr Gesicht gestrahlt hatte, schien das Innere des Hauses düster. Unvermittelt war sie so erschöpft, daß sie am liebsten geheult hätte.
    Sie würden zuerst das Bett zusammenbauen müssen, bevor sie sich heute nacht schlafen legen konnten, und sie mußten sich noch entscheiden, welcher Raum ihr Schlafzimmer werden sollte. Das würde sie jetzt tun, beschloß sie, und damit gleich vermeiden, wieder ins Wohnzimmer und zu der ewig bekümmerten Kirsty zurückkehren zu müssen.
    Die Glocke läutete immer noch, als sie die Tür zum Vorderzimmer im ersten Stock öffnete. Es war der größte der drei oberen Räume – und bot sich schon damit an –, doch die Sonne hatte hier heute (und auch an keinem anderen Tag dieses Sommers?) nicht hereingeschienen. Die Rollos vor dem Fenster waren heruntergelassen, und das Zimmer schien somit deutlich kühler als der Rest des Hauses; die Luft wirkte abgestanden. Sie ging über den fleckigen Dielenboden zum Fenster, um das Rollo hochzuziehen.
    Am Sims entdeckte sie etwas Sonderbares: Das Rollo war fest an den Fensterrahmen genagelt worden, so daß nicht der geringste Funke Leben von der sonnenhellen Straße davor eindringen konnte. Sie versuchte, den Stoff zu lösen, doch es gelang ihr nicht. Wer immer ihn festgenagelt hatte, hatte ganze
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