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Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Das Tor zur Hölle - Hellraiser

Titel: Das Tor zur Hölle - Hellraiser
Autoren: Clive Barker
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betrachtete ihr Gesicht. Manchmal – besonders wenn sich Zweifel in ihr regten, wie im Augenblick – erschreckte ihn ihre Schönheit beinahe.
    »Vertrau mir«, sagte er.
    »Das tue ich.«
    »Also gut. Was hältst du davon, wenn wir Sonntag einziehen?«
    Sonntag.
    In diesem Teil der Stadt war es noch immer der Tag des Herrn. Selbst wenn die Besitzer dieser gut gepflegten Häuser und gut gebügelten Kinder keine Gläubigen mehr waren, hielten sie doch immer noch den Sabbat ein. Einige Gardinen öffneten sich einen Spalt breit, als Lewtons Transporter vorfuhr und das Ausladen begann; einige neugierige Nachbarn schlenderten sogar unter dem Vorwand, ihre Hunde auszuführen, am Haus vorbei; doch niemand sprach mit den Neuankömmlingen, und schon gar keiner bot ihnen an, mit den Möbeln zu helfen. Sonntag war kein Tag, an dem man ins Schwitzen kommen sollte.
    Julia kümmerte sich um das Auspacken, während Rory das Ausladen des Transporters organisierte, wobei Lewton und Mad Bob zusätzliche Muskelkraft beisteuerten. Sie mußten vier Fuhren machen, um das ganze schwere Zeug aus der Alexandra Road herüberzuschaffen, und am Ende des Tages war noch immer eine ziemliche Menge Krimskrams zurückgeblieben, den sie zu einem späteren Zeitpunkt abholen wollten.
    So um zwei Uhr nachmittags stand Kirsty vor der Tür.
    »Ich wollte mal nachsehen, ob ich euch irgendwie helfen kann«, sagte sie mit vage entschuldigender Stimme.
    »Nun, komm einfach herein«, sagte Julia. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, das ein Schlachtfeld war, auf dem das Chaos gesiegt hatte und verfluchte Rory leise. Die treue Seele um ihre Dienste zu bitten, war zweifellos seine Idee gewesen. Doch sie würde eher ein Hindernis als eine Hilfe sein; ihr verträumtes, ewig trübsinniges Gehabe brachte Julia auf die Palme.
    »Was kann ich tun?« fragte Kirsty. »Rory hat gesagt …«
    »Ja«, sagte Julia. »Ich bin sicher, daß er das getan hat.«
    »Wo ist er? Rory, meine ich.«
    »Weg, um eine weitere Ladung zu holen, um alles noch schlimmer zu machen.«
    »Oh.«
    Julia machte ein freundlicheres Gesicht. »Weißt du, das ist wirklich sehr lieb von dir, einfach so vorbeizuschauen«, sagte sie, »aber ich glaube nicht, daß es hier im Augenblick viel für dich zu tun gibt.«
    Kirsty errötete leicht. Verträumt war sie, aber nicht dumm.
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Bist du sicher? Kann ich nicht … ich meine, vielleicht könnte ich dir eine Tasse Kaffee kochen?«
    »Kaffee«, sagte Julia. Der Gedanke daran machte ihr bewußt, wie ausgetrocknet ihre Kehle mittlerweile war. »Ja«, gab sie nach. »Das ist keine schlechte Idee.«
    Das Kaffeekochen ging nicht ohne kleinere traumatische Erlebnisse ab. Keine Aufgabe, die Kirsty übernahm, war jemals gänzlich simpel. Sie stand in der Küche und erhitzte Wasser in einem Topf, nach dem sie erst eine Viertelstunde lang hatte suchen müssen, und dachte bei sich, daß sie vielleicht doch besser nicht gekommen wäre. Julia schaute sie immer so seltsam an, als wäre sie etwas erstaunt darüber, daß man sie nicht gleich bei der Geburt erstickt hatte. Egal. Rory hatte sie gebeten zu kommen, oder nicht? Das war Einladung genug. Sie hätte sich die Gelegenheit, ihn lächeln zu sehen, nicht für hundert Julias entgehen lassen.
    Der Transporter kam fünfundzwanzig Minuten später wieder; fünfundzwanzig Minuten, in denen die Frauen zweimal versucht hatten und zweimal daran gescheitert waren, eine Unterhaltung in Gang zu bekommen. Sie hatten wenig gemeinsam: Julia war die Liebe, die Schöne, das Objekt von Blicken und Küssen, und Kirsty das Mädchen mit dem schlaffen Händedruck, dessen Augen nur kurz vor oder nach einem Tränenausbruch so strahlten wie die von Julia. Sie hatte schon vor langer Zeit entschieden, daß das Leben ungerecht war. Aber da sie diese bittere Wahrheit nun akzeptiert hatte, warum brachten es die Umstände dann immer noch mit sich, ihr das ständig unter die Nase zu reiben?
    Sie beobachtete Julia verstohlen bei der Arbeit, und es schien ihr, als könne man diese Frau mit dem Begriff Häßlichkeit überhaupt nicht in Verbindung bringen. Jede Geste – eine widerspenstige Strähne, die mit dem Handrücken aus den Augen gestrichen wurde, Staub, den sie von einer Lieblingstasse blies –, alles war von einer so mühelosen Grazie durchdrungen. Und wenn sie es so sah, konnte sie auch Rorys hündische Verehrung verstehen; doch weil sie sie verstand, verzweifelte sie von neuem.
    Endlich kam er blinzelnd und
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