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Das Tor des Suedens

Das Tor des Suedens

Titel: Das Tor des Suedens
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schwebe sie in einem mit Wasser gefüllten Behälter. Doch ihr Körper war erstarrt, die Hände waren ihm flehend entgegengestreckt, ihr Gesicht war verzerrt und der volle Mund zu einem Schrei geöffnet. Die pechschwarzen Augen waren weit aufgerissen, und ihr langes schwarzes Haar schwebte wie ein Schleier hinter ihr her.
    Wanto kniete vor dem Eisblock nieder und tastete mit beiden Händen über die eiskalte Fläche. Dann stierte er verzweifelt in das Gesicht seiner Gefährtin. »Patta«, keuchte er, »ich werde dich befreien.«
    Geschmeidig sprang er auf, riss die Steinaxt hervor und begann auf das Eisgefängnis einzuschlagen. Doch sosehr er sich auch anstrengte, er konnte die glatten Flächen nicht einmal ritzen. Verzweifelt ließ er die Axt fallen und taumelte zwei Schritte zurück.
    Pattas Blicke schienen ihn zu verfolgen.
    »Lebst du?« fragte er zweifelnd.
    Langsam schloss sie die Augen, und Hoffnung erwachte in ihm. »Ja, ich lebe«, hörte er ihre Stimme, die wie aus unendlicher Ferne zu ihm drang. Ihre Lippen bewegten sich leicht.
    Grimmig hob er die Axt, doch kurze Zeit später wurde ihm die Sinnlosigkeit seines Tuns bewusst. Mit der Axt konnte er den Eisblock nicht zerschlagen. Es war ihm unmöglich, seine Gefährtin zu befreien. »Ich kann dir nicht helfen, Patta«, flüsterte er verzagt.
    »Bitte, Wanto, gib nicht auf«, hauchte sie fast unhörbar.
    Und wieder umklammerte seine Hand den Stiel der Axt, und wieder erbebte der Eisblock unter seinen gewaltigen Schlägen.
    *
    Nottr hatte die Freuden genossen, die Olingas aufregender Körper zu bieten hatte, und fühlte sich nun angenehm schläfrig.
    Durch die junge Karsli-Frau hatte er wieder zu sich selbst gefunden. Die Schrecken der vergangenen Wochen, die Schmerzen, die ihm Graf Corians Häscher zugefügt hatten, dies alles lag weit zurück. Olingas Zärtlichkeit und Liebe hatten ihn aus seiner Gleichgültigkeit erwachen lassen. Er hatte wieder zu sich selbst gefunden, ja, er war reifer geworden, und dafür war er ihr unendlich dankbar.
    Die junge Frau schmiegte sich eng an ihn. Sie lagen auf weichen Fellen, und er hatte ein Bärenfell über sie gezogen.
    »Woran denkst du?« fragte sie leise.
    Er blickte in ihr gerötetes Gesicht, das genau den Schönheitsbegriffen seiner Rasse entsprach: plattnasig, die Augen groß und dunkel und geheimnisvoll glänzend wie Bergseen in der Mittagssonne, der Mund fest und voll und rot wie die wilden Gularda-Rosen seiner Heimat, das Haar dunkel wie eine mondlose Nacht.
    Nottr wälzte sich auf den Rücken und lächelte traurig. »Morgen heißt es Abschied nehmen«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich werde dich sehr vermissen, Olinga.«
    Ihr Gesicht wurde ernst, der Glanz wich aus ihren Augen. Leise seufzend setzte sie sich auf und schob mit beiden Händen das schwere Haar über die Schultern. »Müssen wir uns wirklich trennen, Nottr?«
    Er drehte sich herum, stützte sich auf den rechten Ellbogen und blickte sie forschend an. »Ich weiß, was du sagen willst, Olinga.« Er schüttelte leicht den Kopf. »Ich habe auch schon daran gedacht, hierzubleiben. Die Menschen der Wildvölker sind mir sehr ähnlich, aber ich weiß, dass ich die Enge deiner Welt nicht ertragen kann. Ich brauche die Freiheit und das weite Land. Alles in mir sehnt sich danach, wieder auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen und über die endlosen Steppen zu reiten. Das ist mein Leben, Olinga.«
    Sie beugte sich über ihn, und ihr Haar fiel sanft auf sein Gesicht. Zärtlich küsste sie ihn auf den Mund. »Ich will dich nicht hierbehalten, Nottr. Ich möchte mit dir gehen!«
    Verwirrt sah er sie an. Dieser Vorschlag kam völlig unerwartet, denn nie wäre er auf die Idee gekommen, dass sie von den Ihren fortgehen würde. Doch dann erinnerte er sich daran, dass ihr Stamm fast völlig ausgerottet worden war. Sie und die anderen Überlebenden hatten sich dem Stamm der Heusen angeschlossen.
    »Mein Leben hat sich geändert, Nottr. Für mich gab es nur diese kleine Welt, doch du und Nadomir und natürlich auch Adagar ließen mich in andere Welten blicken und machten mich neugierig. Ich will andere Länder, andere Menschen kennenlernen… an deiner Seite, Nottr.«
    Nottr warf ihr einen forschenden Blick zu. Sie schien aber ihren Vorschlag tatsächlich ernst zu meinen. Olinga war anders als alle Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Er versuchte sich kurz vorzustellen, wie das Leben zusammen mit ihr sein würde, und er fand diese Vorstellung durchaus
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