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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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sich?“
    „Regeln und Vorschriften für den richtigen Umgang mit Bürgern“, las er laut vor. Er blätterte gelassen eine Seite nach der anderen um, saugte jedes Wort in sich auf.
    „Hier steht: Passanten sind nicht zu belästigen, falls sich kein zwingender Grund dafür zeigt. Seite siebzehn, dritte Zeile. Oder das hier: Der Gardist sei immer höflich und hilfsbereit. Es ist seine Pflicht, dem Bürger beizustehen, unabhängig von dessen Alter, Geschlecht oder gesellschaftlichem Stande. Seite vierundzwanzig, erste Zeile. Ah, schau an: Gewalttätigkeiten oder Beleidigungen gegenüber Unbescholtenen wird mit Bußgeld oder Amtsenthebung des Gardisten geahndet. “
    Er lächelte die Männer an. Sie wussten, wer er war, auch wenn sie sich die Veränderung nicht erklären konnten. Und sie fürchteten, was aus ihm geworden war. Er besaß Macht, und das nicht nur, weil er zu stark war, um in den Dreck geschubst und ausgepeitscht zu werden.
    „Verzeihen Sie … eine unglückliche Verwechslung …“
    Cyrian steckte das Büchlein sorgfältig zurück in die Hemdtasche des Gardisten und schenkte ihnen ein breites Lächeln.
    „Guten Tag, meine Herren!“, sagte er freundlich.
    Er hörte schwere Schritte. Einen Moment später stand Thars an seiner Seite und blickte mit vor der Brust verschränkten Armen auf die Gardisten herab.
    „Kennen wir uns?“, fragte einer von denen spontan.
    „Thars Triumphplatz. Belästigen Sie meinen Partner?“
    „Nein! Nein, wir …“
    Alle drei drehten sich wie auf Kommando um und eilten hastig davon. Cyrian spürte, dass er heute zum letzten Mal wegen diesen Kerlen Probleme gehabt hatte.
    „Partner?“, fragte er mit leicht ironischem Unterton. Stünden sie nicht gerade auf offener Straße, würde er seinem Liebsten um den Hals fallen und ihn küssen, bis sie beide keine Luft mehr bekamen.
    „Geschäftspartner. Die Verwaltung meines Erbes ist keine Kleinigkeit. Sie erfordert sogar so viel Hilfe, dass du dringend bei mir einziehen musst.“
    Thars sah furchtbar aus, wenn man genau genug hinschaute. Cyrian entdeckte verheilende Wunden, die wie Verbrennungen wirkten und alle Anzeichen von schwerster Erschöpfung. Trotzdem lächelte sein Geliebter, er schien sich ebenfalls zurückhalten zu müssen, ihn nicht in seine Arme zu zerren.
    „Nun, Partner , dann sollten wir die Geschäfte nicht warten lassen, würde ich vorschlagen“, sagte er. „Es gibt einiges, was ich dir erzählen möchte.“
    „Kiros?“, fragte Thars im Plauderton. Sie schlenderten mittlerweile die Straße entlang, als hätten sie alle Zeit der Welt.
    „Ein Problem, das in Doktor Leromes fähigen Händen liegt. Crimson?“
    „Ein Problem, das eliminiert ist.“ Thars‘ Augen funkelten grimmig bei diesen Worten. Unwillkürlich warf Cyrian einen Blick über die Schulter und stutzte. Stieg da etwa ein dünner Rauchfaden aus dem Kamin von Crimsons Haus auf?
    „Das gesamte Labor steht in Flammen, es wird nichts von Evolution zurückbleiben. Der Keller ist versiegelt, das Feuer wird nicht durchschlagen. Der Rauch stammt aus den Lüftungsschächten.“
    „Es ist also vorbei?“
    Thars lächelte. „Es fängt gerade erst an.“

    Wie in Watte gehüllt fühlte sich Kiros‘ Kopf an. Mühsam schlug er die Augen auf, die irgendjemand mit Sandpapier bearbeitet haben musste, denn sie brannten furchtbar. Das erste, was er wahrnahm, waren die weißen, fleckigen Wände. Er lag auf einer quietschenden Pritsche in einem ansonsten sehr kahlen, winzigen Raum. Ein schmales Fenster war vergittert. Ihm gegenüber befand sich eine stählerne Tür mit einer Klappe, die von außen geöffnet werden konnte. Jetzt war sie geschlossen.
    „Ja, wo bin …“ Kiros bemühte sich, sich aufzusetzen. Das fiel ihm ziemlich schwer, weil seine Arme in einer weißen Jacke aus festem Leinen steckten. Die Ärmel der Jacke führten durch Schlaufen an den Seiten, um zu verhindern, dass er die Arme anheben konnte. Verschlossen wurde die Jacke auf dem Rücken. Deutlich konnte er dort die Schnallen fühlen, als er sich Halt suchend an die Wand lehnte. Gedämpft vernahm er entferntes Heulen und Kreischen. Gedämpft, weil er eine Kappe aus gepolstertem Leder trug, die offenbar verhindern sollte, dass er sich den Kopf an den Wänden einschlug.
    „Brudfors Gnade!“, flüsterte Kiros mit trockenem Mund. Wo war er hier hinein geraten? Wohin hatten ihn Melva, Lerome und Cyrian gebracht? Vorsichtig, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, rutschte er von der Pritsche
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