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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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die Fesseln hatten die Wachen ihm gelöst. Nur einen Fluchtweg gab es nicht, selbst wenn er die kräftigen Männer hätte abschütteln können. Sie waren in die Tiefen des Gefängnisses hinabgestiegen, hatten die letzten düsteren Zellen mit ihren armseligen Bewohnern hinter sich gelassen, um sich dem letzten und wohl erbärmlichsten Loch zu nähern, das es hier gab. Gewaltige Riegel und zahlreiche Schlösser sicherten eine armdicke Tür aus versteinert wirkendem Eichenholz. Cyrians Herz schlug immer wilder, je weiter sie sich diesem Ziel näherten und sein Mut sank auf den Nullpunkt. Mittlerweile fürchtete er, vor Angst ohnmächtig zu werden.
    Einer der Wächter entriegelte die zahlreichen Schlösser und öffnete die Zelle. Das finstere Loch, das sich auftat, erschien Cyrian wie ein Zugang in den Abgrund des Diabolischen. Ein grober Stoß, begleitet von einem zynischen „Viel Vergnügen!“, ließ ihn hilflos in das Dunkel taumeln. Den Schatten, der auf ihn zuschoss, fühlte er mehr, als dass er ihn sah. In dem Moment, in dem die Tür zufiel, tat er einen wilden Satz zurück. Er spürte noch Finger, die sein Gesicht und seinen Hals streiften, dann prallte er schmerzhaft gegen eine Wand. Ketten klirrten, als sich das Tier irgendwo vor ihm in der Dunkelheit bewegte. Keuchend kauerte sich Cyrian mit wie verrückt pochendem Herzen an der Wand nieder und schlang die Arme um seinen nackten Leib. Stroh raschelte, es stank nach einem ungewaschenen Körper und Exkrementen. Was für eine Schreckensgestalt mochte da in der Finsternis hocken? Und wie lang waren die Ketten, die das Tier hielten? Würden sie das Monster davon abhalten, ihn umzubringen? Er hörte, wie sich das Tier bewegte, nervös, unruhig … gierig? Tränen der Verzweiflung stiegen in seinen Augen auf.
    „Bitte“, wimmerte er voller Panik. „Bitte, ich habe nichts getan.“
    Die Geräusche vor ihm verstummten.
    Es wartete.
    Lauerte.
    Cyrian schmiegte sich bibbernd gegen die Wand. Stumm verfluchte er seine Mutter, die ihn auf die Straße geschickt hatte. Er verfluchte auch die Wachen und das Tier, das Schicksal im Allgemeinen und die ganze restliche Welt gleich mit. Irgendwann schlief er ein, geistig und seelisch erschöpft, von Albträumen gepeinigt. Aber der Schlaf war die einzige Flucht, die er ergreifen konnte.

    Etwas krabbelte an seinen Zehen. Schlaftrunken trat er danach und drehte sich auf die andere Seite.
    Kühl ist es hier, ging es ihm träge durch den Kopf, als er sich zusammenrollte. Erneut berührte ihn etwas am Fuß. Schlagartig war er hellwach und fuhr auf.
    Zu spät!
    Eiserne Finger umklammerten seinen Knöchel und begannen an ihm zu ziehen.
    Das Tier! Das Tier hatte ihn gepackt!
    Cyrian begann hilflos zu kreischen, als er bäuchlings durch den Kerkerdreck gezogen wurde, näher und näher an den grausamen Massenmörder heran. Seine Finger krallten sich in das stinkende Stroh, bemühten sich verzweifelt um einen Halt. Er versuchte nach dem Tier zu treten und strampelte wie verrückt.
    Eine zweite Hand glitt über seinen Körper und verursachte ihm eine Gänsehaut. Sie packte ihn am Arm, riss ihn rücklings in die Höhe und dann herum. Jetzt rutschte er seitlich auf das Tier zu.
    „Neeeeeeiiiiiiiiiin!“, heulte er wie ein erbärmliches Kleinkind. Er war längst nicht mehr Herr seiner Angst. Zu viele Geschichten hatte er über das Tier gehört, eine schauriger als die andere. Und nun befand er sich in dem unnachgiebigen Griff dieser erbarmungslosen Kreatur. Hatte er nicht ebenfalls gehört, dass das Tier seine Opfer gefressen hatte? Würde es seine Zähne auch in sein Fleisch schlagen? Hatten die Wachen es hungern lassen? Himmel! Was von den zahlreichen Gerüchten war wirklich wahr?
    Er wurde an einen harten Körper gepresst. Haare streiften kitzelnd seine Haut, als sich ein Gesicht gegen seine Schulter drückte. Cyrian verkrampfte sich, als ihm bewusst wurde, dass das Tier an ihm roch. Die schnüffelnde Nase wanderte über seine Brust und über seinen Bauch bis hin zu seinem Schritt, glitt wieder höher und bohrte sich in seine Haare.
    „Ich rieche Sonne an dir“, krächzte eine heisere Stimme. „Und den Frühling.“
    Das Tier sprach mit ihm!
    „Wer bist du? Was hast du getan, dass man dich zu mir in dieses Loch steckt?“
    Cyrian würgte an seiner Angst. Was würde das Tier mit ihm anstellen? Und … und würde es sehr wehtun?
    „Rede!“, wurde er von der rauen Stimme angeherrscht. „Rede mit mir!“
    Hände schüttelten ihn voller
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