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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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drang es durch die Tür. Einen kurzen Moment lang überlegte Kiros, ob er nicht einfach mit Cyrian weitermachen sollte, doch schließlich legte er die Schere mit einem Seufzen beiseite.
    „Ich komme“, antwortete er seinen Bediensteten. Dann legte er eine Hand auf Cyrians kalkweiße Wange.
    „Sieh dir die Säge ganz genau an, mein Hübscher. Stell dir schon mal vor, wie es sich anfühlen wird, wenn sich das Sägeblatt in deinen Schädel frisst. Ich bin bald wieder da.“

In Kiros’ Empfangshalle saß eine streng gekleidete ältere Frau auf einem gepolsterten Stuhl. Ihr Haar war ordentlich aufgesteckt und ein winziger Hut auf der kunstvollen Frisur befestigt. Sie rieb sich den Knöchel durch das Leder ihrer Knopfstiefel. Offenbar hatte sie sich den Fuß verletzt.
    „Kann ich Ihnen behilflich sein?“, erkundigte sich Kiros höflich. Beim Klang seiner Stimme schaute die Dame auf und lächelte gequält.
    „Ich bin zu ungeschickt. Genau vor Ihrer Tür bin ich gestolpert und habe mir wohl den Fuß verstaucht. Wenn ich ein paar Minuten bei Ihnen verweilen darf? Mein Mann folgt mir nach. Ihr Diener war so freundlich und will ihn vor der Tür abfangen, damit er nicht vorbeiläuft.“
    „Natürlich, gerne. Darf ich mich vorstellen? Kiros Goldfinkenallee.“
    Sie reichte ihm die Hand, die er galant küsste. „Sehr erfreut. Mein Name ist Melva.“ Die Straße, in der sie geboren war, ließ sie aus. Kiros musterte die Frau. Bestimmt stammte sie aus einer armseligen Gegend und schämte sich dafür. Obwohl sie gute Kleidung und hübschen Schmuck trug. Wahrscheinlich hatte sie vorteilhaft geheiratet und wollte nun lediglich ihre Herkunft verschleiern.
    „Melva“, wiederholte er langsam und dehnte dabei die einzelnen Silben. „Das klingt zauberhaft. Darf ich Ihnen in den Salon helfen? Dort könnte ich Ihnen eine Tasse Schokolade anbieten, während wir auf den Herrn Gemahl warten.“
    Und ich endlich mit der Forschungsarbeit weitermachen kann …
    „Sehr freundlich.“ Melva stützte sich auf seinen Arm und er führte sie in seinen Salon, wo er sie vor einem Sessel stehen ließ.
    „Ich werde nur schnell in der Küche die Schoko …“
    „Nicht nötig!“
    Verwundert starrte Kiros auf die kleine Pistole, die Melva aus ihrer Handtasche gezogen hatte.
    „Nehmen Sie Platz, Herr Kiros. Wir warten gemeinsam auf meinen Mann. Und wenn Ihr Dienstbote ihn hereinführt, werden Sie brav sitzenbleiben und den Diener wieder an seine Arbeit schicken, verstanden?“, fragte die plötzlich so resolut wirkende Frau und ließ sich elegant in dem Sessel nieder. Wie betäubt nahm Kiros ihr gegenüber Platz und beobachtete, wie Melva mit ihrer Handtasche die Waffe verdeckte, die weiterhin auf ihn gerichtet blieb.
    „Was wollen Sie?“, fragte er, nachdem der erste Schock langsam abklang. „Geld? Wollen Sie Geld?“
    „Wir wollen Cyrian.“ Sie lächelte süß.
    „Cyrian? Was für einen Cyrian?“
    „Stellen Sie sich nicht dumm, Kiros. Wir wissen, dass Cyrian bei ihnen ist. Sobald mein Mann hier ist, bringen Sie uns zu ihm. Und ich hoffe in Ihrem Interesse, dass ich diese Pistole nicht benutzen muss, weil Sie meinem jungen Freund ein Härchen gekrümmt haben.“
    Mit einem unbehaglichen Magendrücken kamen Kiros die beiden Haarbüschel in den Sinn, die bereits seiner Schere zum Opfer gefallen waren.
    Hoffentlich nimmt diese Person ihre Drohung nicht wörtlich, dachte er und schluckte trocken.

    Beruhige dich, beruhige dich. Wenn du dich deiner Wut überlässt und dich hier verausgabst, dann kannst du später, falls sich die Möglichkeit zur Flucht ergibt, nichts mehr bewerkstelligen.
    Leider war es verdammt schwierig, stumm und geduldig in seinen Ketten zu hängen und darauf zu warten, dass irgendetwas passierte. Thars‘ Schreien und Toben war ignoriert worden. Wie schon tausend Mal zuvor horchte er in die Stille hinein. Er nahm die Regung eines Mäuschens wahr, ansonsten war er allein. Weit und breit befand sich niemand. Hätte er nicht Crimson oder dessen Diener hören müssen, wenn er sich in Crimsons Haus befand? Zumindest müssten die Mauern von Crimsons Geruch durchdrungen sein. Aber das Mauerwerk roch lediglich alt. Wo befand er sich bloß? Und wo war sein Engel?
    Ein frustriertes Heulen entwich Thars’ rauer Kehle.
    Wenn nur nicht die Sorge um seinen Engel wäre …

    „Wie erwartet hat sich die Wunde des Betäubungsgeschosses vollständig geschlossen und wird in wenigen Stunden spurlos verschwunden sein“, sagte Crimson,
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