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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth
Autoren: John Saul
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Fingerspitzen heraushob und langsam auseinanderzog.
    Schriftzeichen, die er nicht verstand, reihten sich in akkuraten Zeilen, und obgleich das alte Pergament fleckig war, war die Tinte an keiner Stelle verblasst.
    Lange betrachtete er die seltsamen Worte, die er nicht entziffern konnte, aber schon bald wurde ihm klar, dass sie, was auch immer sie bedeuten mochten, für ihn bestimmt waren.

    Und nur für ihn.
    Sie waren so lange Zeit begraben gewesen - wie lange, konnte er sich gar nicht vorstellen -, und sie hatten auf ihn gewartet. Und als die Heilige Mutter Maria gesehen hatte, dass er bereit dafür war, hatte sie ihn an eben diese Stelle geführt und ihm dieses Geschenk gemacht.
    Der Junge legte die Schriftrolle zurück in die Kassette und verschloss sie wieder.
    Ehrfürchtig zeichnete er mit dem Zeigefinger das Kruzifix auf dem Deckel nach. Dabei war es eigentlich gar keines - es war vielmehr nur die Stelle, wo einst ein Kruzifix angebracht gewesen und entfernt worden war, wie ein Stein aus seiner Fassung. Ja, auf dem Deckel der Kassette hatte sich anscheinend einmal ein Kreuz befunden, aber es war nicht mehr da.
    Aber wo war es hingekommen? Vielleicht, wenn er nur inständig genug betete, würde die Heilige Mutter Maria ihn auch zu diesem Kruzifix führen, und dann könnte er es wieder auf dem Deckel der Kassette anbringen, wo es hingehörte.
    »Ave Maria«, wisperte er, nahm die Kassette in beide Hände und ging damit zum Fenster, um einen Blick auf die Grotte zu werfen. Der Vollmond ergoss sein helles Licht über das Gesicht der Heiligen Jungfrau, das jetzt genauso silbern schimmerte wie die Kassette, die er in seinen Händen hielt. Und über ihr am nächtlichen Himmel blinkten und glitzerten eine Million Sterne.
    »Ich werde lernen, das zu entziffern, Heilige Mutter Maria«, flüsterte der Junge. »Ich werde lernen, diese Worte zu verstehen, und alles tun, was du von mir verlangst.«

    Kuwait 1991

    Gelb.
    Alles war gelb. Nicht nur die Wüste; nicht nur die Sonne. Alles.
    Der Himmel.
    Die Hitze selbst.
    Alles - gelb.
    Bis vor ein paar Minuten war es noch auszuhalten gewesen. Da war wenigstens der Himmel noch blau gewesen - nur blassblau zwar, längst nicht so strahlend blau wie zu Hause, aber immerhin so, wie ein Himmel aussehen sollte. Doch gleich darauf hatte sich alles verändert. Der Wind war stärker geworden, und über dem Himmel hatte sich ein Schleier ausgebreitet, so gelb wie Kamelpisse.
    Als dann Sekunden später ein Sandsturm über die Wüste fegte, hielt der Konvoi an, so dass es den Anschein hatte, als duckten sich die Truppenfahrzeuge vor dieser heulenden Naturgewalt, die mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zu gerast kam. Auch die Männer, die die Sandwalze nicht sehen konnten - diejenigen, die hinten im Lastwagen saßen, wo zumindest eine Segeltuchplane sie vor diesem mattgelben Alptraum schützte -, schienen in sich zusammenzusinken, ihre Gliedmaßen einzuziehen, wie eine Schildkröte es getan hätte, wäre sie so dumm gewesen, sich von einem Sandsturm überraschen zu lassen.
    Doch als die gelbe Wand den Konvoi umschloss und auf ihn niederstürzte, gewann der Sturm eine bizarr anmutende Schönheit - eine so seltene Schönheit, dass der Mann ganz hinten in dem Transporter sich aus seiner gebückten Schutzhaltung erhob und nach seiner Kamera griff. Er schwang die Beine über den hinteren Ausstieg,
sprang aus dem Wagen und rannte in den Windschatten des Transporters. Die Karosserie hielt den Sturm gerade so weit ab, dass er sich aufrichten konnte, doch die Sandkörner peitschten ihm gnadenlos ins Gesicht.
    Ohne auf die Schmerzen zu achten, drückte er den Auslöser, spürte, wie die Kamera bei jedem Bild in seinen Händen vibrierte.
    Den Finger auf dem Auslöser, drehte er sich nach rechts und nach links, fing ein gelbliches Bild nach dem anderen ein. Und plötzlich glaubte er im Augenwinkel einen Schatten wahrgenommen zu haben.
    Ein Mann?
    Er drehte sich um, versuchte die Gestalt durch den Sucher zu fokussieren, doch in dem Augenblick, als sie sich zu bewegen begann, erkannte er seinen Fehler.
    Erkannte ihn und versuchte ihn noch zu korrigieren.
    Zu spät.
    Die Kugel traf ihn in die Brust, gerade als er sich zu Boden fallen ließ.
    Die Kamera entglitt seinen Händen, fiel in den Sand und rutschte unter den Lastwagen.
    Er starrte hinab auf seine Brust, die seltsamerweise trotz der Wucht des Einschlags überhaupt nicht schmerzte, und wunderte sich, was ihn getroffen haben mochte. Sekunden
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