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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth
Autoren: John Saul
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später, als sich ein dunkelroter Fleck auf seinem Khakihemd ausbreitete, da wusste er es.
    Er wollte um Hilfe rufen, doch die Worte ertranken in dem Blut, das seine Mundhöhle füllte. Und als er auszuspucken versuchte, spie er gegen eine Sturmwand an, die Blut und Speichel mit Sand und Staub vermischte.
    Er würde sterben.
    Würde hier in dieser Wüste sterben, inmitten eines tobenden Sandsturms. Noch einmal öffnete er den Mund,
um seine Kameraden zu alarmieren, wusste jedoch, dass dieser Ruf viel zu spät kam.
    Es dauerte nicht lange, da begann sich ein Gefühl der Gelassenheit in ihm auszubreiten, so als ob die unendliche Ruhe des Todes ihn bereits umarmte.
    Rasselnd rang er nach Luft, musste husten, kämpfte um den nächsten Atemzug.
    Ein Atemzug, der Stunden - eine Ewigkeit - entfernt zu sein schien.
    Schließe Frieden.
    Dieser Gedanke kam ihm inmitten zweier Stürme, die in ihm und um ihn herum tobten - der eine der Kampf seiner Organe ums Überleben, der andere, der keinen anderen Zweck zu verfolgen schien, als ihn in den Sand zu zwingen.
    Schließe Frieden.
    Er verspürte keinerlei Schmerzen, doch seine Gedanken ließen sich nicht mehr lenken. Sein kollabierender Körper verlangte zu viel Aufmerksamkeit, obschon sein Geist wusste, dass es wichtigere Dinge gab, die es noch zu erledigen galt. Plötzlich schien sein Körper nur mehr ein lästiger Ballast zu sein, der alles wirklich Wichtige behinderte.
    Er hatte noch einiges zu erledigen.
    Er musste beten.
    Musste Frieden schließen.
    Obwohl er nicht auf diese Art hätte sterben sollen.
    Nicht so jung, nicht jetzt, wo es noch so viel zu tun gäbe.
    Aber es passierte wieder.
    Er starb, wie sein Vater gestorben war.
    Und wie auch sein Großvater gestorben war.
    Das Tosen des Sturms drang kaum noch zu ihm vor, seine Gedanken wandten sich von seinem Körper ab, bis
ihm schließlich bewusst wurde, dass seine Verletzung und auch die leichten Schmerzen immer mehr an Bedeutung verloren. Er spürte nur noch eine angenehme Mattheit, die sprichwörtliche Leichtigkeit des Seins.
    Schließe Frieden.
    Beinahe wie von selbst fanden seine Finger den Weg zu seiner Brust; zu dem Kruzifix, das seit Generationen von den Männern seiner Familie getragen wurde.
    Das Kruzifix, das sie eigentlich beschützen sollte.
    Das aber niemals auch nur einen von ihnen zu beschützen vermocht hatte.
    Keinem von ihnen geholfen hatte zu überleben, ein Kind groß werden zu sehen oder dass ein Enkelkind auf die Welt kam.
    Mit letzter Kraft riss er sich das Kreuz vom Hals.
    Gleich darauf spürte er Hände auf sich, ein Soldat beugte sich über ihn, schrie etwas gegen den heulenden Wind.
    Aber es war zu spät.
    Viel zu spät.
    Er drückte dem Soldaten das Kruzifix in die Hand, und im gleichen Moment spürte er, wie sich ewiger Frieden über seine Seele legte.
    »Beschütze …«, wisperte er, »… Sohn …«
    Dann schloss er die Augen und überließ sich dem Tod.

1
    2007

    Ryan McIntyre hob seine Müslischüssel an die Lippen und schlürfte den Rest süße Milch, genau wie er es die letzten vierzehn seiner sechzehn Lebensjahre gemacht hatte, wobei er wie immer die tadelnde Miene seiner Mutter ignorierte. Nach einem raschen Blick auf die Uhr stopfte er sich das letzte Stück seiner dritten Scheibe Toast in den Mund, stand vom Tisch auf und trug seine Schüssel und den Teller in die Küche. Ihm blieb gerade noch genug Zeit, um sich seine Bücher zu schnappen und zur Bushaltestelle zu flitzen.
    »Hast du heute nach der Schule etwas vor?«, fragte ihn seine Mutter.
    Ihr Tonfall ließ Ryan sofort aufhorchen. »Warum?«, erwiderte er, während er das Geschirr in die Spüle stellte.
    »Weil wir heute Abend essen gehen und ich möchte, dass du um halb sechs zu Hause bist.«
    Ryan verzog das Gesicht, sah seinen Tag schon überschattet. Aber vielleicht täuschte er sich auch. »Zum Abendessen?«, wiederholte er und drehte sich zu seiner Mutter um. »Nur wir zwei?«
    Teri McIntyre drehte sich ebenfalls um und sah ihren Sohn an. »Mit Tom«, sagte sie. »Er lädt uns beide zum
Essen ein, und deshalb möchte ich, dass du um halb sechs zu Hause bist. Okay?« Dieses letzte »Okay« hörte sich an, als wüsste sie sehr genau, dass es für ihn ganz und gar nicht okay war. Was seine nächsten Worte auch prompt bestätigten.
    »Ich will aber nicht mit Tom Kelly essen gehen«, sagte Ryan und ärgerte sich sogleich über den weinerlichen Klang seiner Stimme. Nachdem er tief Luft geholt hatte, setzte er noch einmal an.
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