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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans
Autoren: Barbara Goldstein
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hat das Testament des Satans gesehen?«
    »Ja.«
    Der maskierte Mönch knirscht mit den Zähnen. »Gott verfluche ihn!«
    »Was geschehen ist, tut mir leid«, murmelt der Hüter.
    »Schon gut, Bruder.« Nach kurzem Zögern fügt der Pater hinzu: »Er kann uns nicht entkommen.«
    »Du willst …?« Der Hüter der Lade spricht das Schreckliche nicht aus.
    »Weißt du, wie zwei Menschen ein schreckliches Geheimnis bewahren?«, fragt der Pater. »Einer von ihnen muss sterben.«
    »Aber er ist ein Gesandter des Papstes! Seine Heiligkeit wird uns exkomm …«
    »Papst Nikolaus ist in Rom. Und Rom ist weit.«
    »Und unser Abt? Wenn Kardinal d’Estouteville herausfindet, dass Vittorino spurlos verschwun …«
    »Guillaume d’Estouteville will Papst werden. Er kann sich einen Skandal wie einen Mord auf dem Mont-Saint-Michel nicht leisten. Wie bei den anderen wird es keine Nachforschungen geben.« Der Pater atmet tief durch unter seiner Ledermaske. »Sieh nach dem Buch der Geheimnisse, Bruder. Es darf nicht entdeckt werden. Dann kehre in die Krypta zurück. Ich muss tun, was ich tun muss. So wie du.«
    Der Hüter nickt. »Es ist mir eine Ehre, der Bruderschaft zu dienen.« Ermutigend legt er dem alten Bretonen die Hand auf die knochige Schulter. »Unsere Mission ist heilig, denn wir dienen Gott. Wir sind die Heerschar, die auf Erden für den Herrn kämpft. Wir sind auserwählt, denn wir beschützen die Welt vor der Inkarnation des Bösen und reinigen sie von der Sünde, damit das Tausendjährige Reich Jesu Christi kommen kann. Das Königreich der Himmel ist nah!«, flüstert er eindringlich. » Que l’archange soit avec toi, mon frère! Der Erzengel steh dir bei, mein Bruder!«
    Verzweifelt hetzt Vittorino durch den nebelverhangenen Kreuzgang zum Lavatorium im Schatten der Arkaden und spritzt sich kaltes Wasser ins schweißüberströmte Gesicht. Mit dem Ärmel seiner Robe wischt er es ab. Dass er dadurch das Blut des Hüters auf seiner Stirn verteilt, bemerkt er nicht. Er presst die Hände gegen seine bebenden Lippen. Seine beim Aufbrechen des Reliquienschreins abgebrochenen Fingernägel graben sich ihm schmerzhaft ins Gesicht.
    Seit wie vielen Jahren wurde die Lade mit dem schrecklichen Vermächtnis Satans nicht geöffnet? Seit wie vielen Jahrhunderten wurde dieses Gegenstück zur Bundeslade in der uralten Krypta unter der Kirche verborgen? Vittorino fröstelt trotz der feuchtwarmen Nebelnacht. Jene Felsengrotte unter der unterirdischen Kapelle, die einem bretonischen Megalithgrab oder einem archaischen Tempel ähnelt, war ihm vorhin wie der Eingang zur Hölle erschienen.
    Und dann war wie aus dem Nichts jener Schemen aufgetaucht, der sich für den Frevel rächen wollte. Der ihn in Todesangst versetzte und ihn überstürzt aus der Krypta fliehen ließ.
    Aufgewühlt hastet Vittorino durch die Arkaden des Kreuzgangs zur offenen Westseite, wo sich ihm in einer sternenklaren Nacht ein überwältigender Blick auf das tief unter ihm liegende Meer geboten hätte, das bei Flut den Mont umspült. Schwindel erregend erheben sich die übereinander errichteten Gebäude der Merveille, des »Wunders des Abendlandes«, am Rand des felsigen Abgrunds.
    Die Welt um den Mont gibt es nicht mehr, denkt Vittorino schaudernd. Es scheint, als treibe die Insel, aus ihrer Verankerung gerissen, haltlos durch die Nacht.
    In einer Wüste aus Wasser und Sand, umwabert von geheimnisvollen Nebeln und düsteren Legenden, liegt der Mont-Saint-Michel, seit einer vernichtenden Sturmflut eine Insel, die nur während der Ebbe erreichbar ist. Der schroffe Granitfelsen symbolisiert den ewigen Kampf des Guten gegen das Böse. Auf diesem vom Meer umtosten Felsen besiegte der Erzengel Michael den Satan und stürzte ihn aus dem Himmel in die Finsternis der Hölle.
    In einer Nacht im Jahr 708 erschien Saint-Michel vor Aubert, dem Bischof von Avranches, und befahl ihm, auf dem Berg ein Sanktuarium zu errichten. Als Reliquie übergab der Erzengel, Bezwinger Satans und Anführer der himmlischen Heerscharen, dem Bischof das Testament des Satans … mit dem Blut des gefallenen Engels der Finsternis. Jahrhundertelang verbargen die Mönche diese Tod und Verderben bringende Reliquie in einer mit Blei ausgekleideten Truhe in einer Felsengrotte, einer Krypta unter der Abteikirche.
    Mit zum Himmel gerichtetem Blick flüstert Vittorino ein Gebet und erfleht Gottes Barmherzigkeit. Der Pater hat ihm die Absolution verweigert!
    Die Mächte des Bösen sind entfesselt und
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