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Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Titel: Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
Autoren: Krystyna Kuhn
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College. Schließlich kann ich die Lichter erkennen. Die Signallampen des Sicherheitsdienstes. Sicherheitsdienst. Bisher konnte ich die Typen nicht ausstehen, aber jetzt sind sie das Beste, was mir passieren konnte.
    »Einfach zurück«, höre ich mich sagen. »Und dann nichts wie weg hier.«
    Mit einer Antwort habe ich nicht gerechnet.
    »Klar. Wie immer. Du haust ab. Verpisst dich ins Warme.«
    Im ersten Moment glaube ich, dass ich mit mir selbst spreche. Weshalb ich die Bemerkung zunächst einfach ignoriere. Ich wende mich nach rechts. Werde langsamer, je näher ich der Brücke komme. Je deutlicher ich das Rauschen des Wasserfalls höre.
    Ich biege um die nächste Kurve und kann ihn sehen. Das Wasser stürzt mit voller Kraft aus dem Felsen, rauscht unter der Brücke durch und prallt mit solcher Wucht auf die spiegelglatte Fläche des Lake Mirror, dass es schäumt.
    Wassernebel versperrt mir die Sicht. Mit meiner rechten Hand das Seil umklammernd, wische ich mir mit der linken über das Gesicht und … erstarre.
    Am Ende der Brücke erhebt sich der Schattenmann.
    Die ganze Zeit war ich sicher, jemand verfolgt mich. Aber das Gegenteil ist der Fall. Da vorne steht er und erwartet mich. Und bei jedem Schritt, den ich mache, wird er größer.
    Ich stoppe, schaue mich um. Bin verwirrt, denn er steht jetzt hinter mir.
    Also renne ich weiter, nur um zu begreifen, ich laufe direkt auf ihn zu. Schwer atmend. Keuchend. Schon spüre ich die schwankenden Holzbohlen der Brücke unter mir. Debbie beschwert sich schon seit Monaten im Chronicle darüber, dass sie repariert werden müsste. Aber nichts ist passiert.
    Rechts von mir der Wasserfall. Links der See, aus dem Wasserfontänen schießen.
    Vor mir …
    Hinter mir …
    Ich kann ihm nicht ausweichen.
    Und – will es auch nicht mehr.
    »Was willst du von mir?«, rufe ich. »Sag es mir einfach hier und jetzt.«
    Ich gehe direkt auf ihn zu, bin nur noch wenige Schritte von ihm entfernt, als er einen Schritt zur Seite macht und das volle Licht des Mondes ihn trifft.
    Die Holzbohlen unter mir vibrieren im Takt meines zitternden Körpers. Ich kann es nicht glauben.
    Ja, vor mir steht ein Schatten. Nur, dass ich ihn jetzt deutlich erkennen kann.
    »Ronnie?«, höre ich mich schreien.
    Und weiß, ich irre mich nicht. Dort steht er, beide Hände tief in den Taschen vergraben. Er ist genauso gekleidet wie damals, als die Cops uns festgenommen haben.
    Der Schattenmann – der Schatten meiner Vergangenheit.
    Und er sagt etwas. Ich kann es nicht sofort verstehen.
    »Was? Was hast du gesagt?«
    »Nicht schwer«, flüstert er. »Es ist gar nicht schwer.«
    Ein Windstoß fegt mit aller Kraft über mich hinweg. Ich schwanke, die Bohle unter meinen Füßen kracht.
    Gar nicht so schwer …
    Ich spüre das Seil in meiner Hand. Es fühlt sich leicht an, geschmeidig. Es windet sich zwischen meinen Fingern und im nächsten Moment kann ich mir zusehen, wie ich es um das Holzgeländer schlinge, wieder und wieder, und mit einem Ruck den Knoten festzurre.
    Ein Blick über meine Schulter. Ronnie steht immer noch da, zieht einen Joint aus seiner Tasche und zündet ihn an. Nickt.
    Ich weiß, was er von mir möchte. Und diesmal kann ich ihm seinen Wunsch erfüllen.
    Simpel, oder?
    Doch irgendwo in einem Winkel meines Hirns begreife ich, dass es so leicht nicht ist. Dass es Gegenargumente gibt, die mir jetzt nur nicht einfallen. Ich sollte aufwachen, meinen Kopf irgendwie klarkriegen, aber gleichzeitig ist mir klar, dass ich das nicht allein schaffe.
    Ich streife das andere Ende des Seils, die Schlinge, über den Kopf. Sie zieht sich von alleine zusammen und schnürt mir die Luft ab. Noch umklammern meine beiden Hände den Strick. Voller Hoffnung drehe ich mich einige Male im Kreis. Hinter mir der Wasserfall. Vor mir der See.
    Ein Blick nach links … Ronnie.
    Rechts Ronnie.
    Ich höre Schritte.
    Sehe unter mir den Abgrund. Das Wasser des Sees ist aufgewühlt, Schaumkronen.
    »Benjamin?«
    Die Stimme kommt näher.
    Ronnie, der mich verfolgt. Seine Rache verfolgt mich.
    Ich schwinge das linke Bein über das schwankende Geländer, ziehe das rechte Bein nach.
    Alle Gedanken. Alle Fragen. Wie weggewischt.
    Tod oder Unsterblichkeit … Die Entscheidung ist überhaupt nicht schwer, denn ich muss nur loslassen.
    Mein Körper fühlt sich schwerelos an.
    Ich schließe die Augen, breite beide Arme aus und warte.
    Sehe eine weiße Leinwand, auf der sich ein Wort zusammensetzt.
    THE END.
    Im nächsten Augenblick packt
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