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Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Das Tal Bd. 7 - Die Jagd

Titel: Das Tal Bd. 7 - Die Jagd
Autoren: Krystyna Kuhn
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College.
    Und jetzt …
    Ein roter pulsierender Fleck.
    Ähnlich einer seismografischen Warnmeldung. Das Zentrum befand sich genau auf den Koordinaten des Sees.
    Debbie schlug das Herz bis zum Hals. Ihr Gehirn war völlig leer, wie erstarrt. Hier war es, das Tal. Wie ein riesiger Blutfleck auf einer weißen Fläche. Die Angst wurde stärker, ihre Beine begannen zu zittern, ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. Denn dieser pulsierende Fleck war dabei, sich auszubreiten, zog Kreise, grub Linien, durchschnitt andere Täler und Schluchten, brachte Berge zum Einsturz, überflutete Landschaften.
    Debbie sagte sich, dass es sich lediglich um eine Animation handelte. Nichts weiter. Irgendein Gruselvideo. Aber es beruhigte sie nicht. Nein, sie spürte die Bedrohung. Sie bedeutete: Das Tal breitete sich aus. Der Pulsschlag des Horrors – schoss ihr durch den Kopf – ging von diesem Ort hier aus. Sie, Debbie – befand sich im Epizentrum des Bösen.
    Panisch sprang sie auf und begann, alles in die Koffer zu stopfen, was ihr in die Hände kam. Sie kratzte die Reste von Gebeten zusammen, die Grandma ihr beigebracht hatte, während nur ein Gedanke sie beherrschte: Sie hatte das ganze Leben noch vor sich und sie war nicht bereit, darauf zu verzichten. Sie würde kämpfen, und wenn es das Letzte war, was sie tat. Nein, sie wollte nicht hier oben sterben.

Rockin’ the Free World
    A ls ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem kalten, feuchten Waldboden. Ich liege auf dem Bauch, das Gesicht in die Erde unter mir vergraben. Kein Wunder, dass ich keine Luft kriege.
    Ich lausche auf Geräusche.
    Null Dezibel um mich herum.
    Ich bin allein.
    Vielleicht sind die anderen schon in die Busse gestiegen und abgereist. Haben mich hier oben einfach vergessen.
    Ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin. In jedem Fall muss ich eine Zeit lang ohnmächtig gewesen sein. Meine Zähne klappern. Die Kälte der Eishöhle steckt noch in meinen Knochen. Wie lange bin ich dort gewesen in diesem Grenzbereich zwischen der Gegenwart, dem Diesseits, dem Abgrund der Gletscherspalte und irgendwie auch meiner Seele?
    Pauls letzter Satz hallt in mir nach.
    Tod oder Unsterblichkeit?
    Muss ich mich wirklich entscheiden?
    Nun, ich kann ihn nicht mehr fragen.
    Nachdem er mir den Satz ins Ohr geflüstert hat, ist er gestorben. Warum mit einem Lächeln im Gesicht? Weil er seine Entscheidung getroffen hat? Für den Tod? Oder weil er sie gar nicht treffen musste? Milton hat für ihn entschieden. Und, denke ich, mich betrifft das doch nicht.
    Aber wenn doch?
    Der Gedanke schleicht sich von hinten an und lässt nicht locker.
    Und wenn du dich entscheiden müsstest?
    Ich habe diese Frage schon einmal gehört. Es war Pauls Stimme auf dem Youtube-Video. Aber wer hat auf Repeat geklickt und stellt mir diese Frage immer wieder?
    Tod oder Unsterblichkeit?
    Beides fühlt sich gleich beschissen an. Bin ich tot, kann ich nicht weiterleben. Lebe ich weiter, kann ich nicht sterben. Ein Deal, den ich nicht eingehen will.
    Einfach nicht denken, Benjamin.
    Nur – und das ist nun wirklich beschissen, fühlt sich der Boden unter mir an wie ein Grab, ja, wirklich, als läge ich in einem frisch ausgehobenen Erdloch. Meine Hände graben sich in den Untergrund, und als ich sie davon löse, bleiben Erdklumpen an meinen Händen hängen. Panik überfällt mich. Ich wühle weiter, immer weiter, als schaufle ich mir mein eigenes Grab. Dieses Erwachen fühlt sich anders an als sonst. Ich empfinde keine Erleichterung, dass ich wieder im Jetzt bin.
    Wie ist das mit dem Tod?
    »Es ist gut«, hat meine Mom am Ende immer wieder gesagt. »Es ist gut, dass es vorbei ist.«
    Und dieser Gedanke gräbt sich fest in mein Gehirn ein, genau wie meine unruhigen Hände sich immer tiefer in die Erde bohren, sie aufwühlen. Sie fliegt durch die Luft. Landet auf meiner Brust. Ich kann sie fühlen, schmecken, riechen.
    Wo sind die anderen?
    Sie haben mich im Stich gelassen. Niemand ist mir gefolgt.
    Eine glasklare Erinnerung schiebt sich vor mein inneres Auge. Ich sehe mich, wie ich aus dem Kinosaal stürze, als ich Paul Forster auf dem Film erkannt habe und etwas mich zwang, zurückzukehren in die Gletscherspalte, in der ich auf meinem Mushroom-Trip schon einmal gewesen bin.
    Das Schlimmste. Das Allerschlimmste ist passiert. Ich habe keine Kontrolle mehr über mich. Du musst sterben, denke ich. Schon bald musst du sterben.
    Und das Schreckliche – irgendwie bin ich erleichtert. Weil, dann habe ich
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