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Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)

Titel: Das Tagebuch der Patricia White (German Edition)
Autoren: Gian Carlo Ronelli
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ausweglose Verzweiflung hatte diese Todessehnsucht in mir geschürt? Und warum hatte ich als letzten Ort dieses schäbige Zimmer ausgewählt? Ich wusste es nicht.
    Ich hatte nicht sterben dürfen . Dieser Gedanke gab mir Hoffnung. Gott! Er hatte mich zurückgeholt. Er hatte dafür gesorgt, dass ich dieses giftige Gesöff erbrach, und dann meinen Geist rein gewaschen. Meine Zeit war noch nicht gekommen. Dieser Gedanke gefiel mir. Doch der darauf folgende wischte das aufkommende Wohlbefinden fort . Was, wenn nicht Gott mich zurückgeholt hatte, sondern der Teufel? Wenn die Hölle nicht Strafe genug für mich gewesen wäre und meine Anwesenheit in dieser Realität dem Amüsement Satans diente?
    Oder wenn diese Realität deine ganz persönliche Hölle ist?
    Ein Frösteln brachte meinen Körper zum Zittern. Der Oberschenkel brannte in aufflammendem. Hatte das verschmutzte Blut meine n Körper vergiftet? Falls ja, dann mus ste ich zu einem Arzt. S chnell.
    Ich drückte mich hoch. Stechender Schmerz fuhr durch das Bein, den Unterkörper, die Brust. Er zwang mich zu Boden. Ich kämpfte dagegen an, lehnte mich gegen die Wand, atmete tief durch und spürte, wie die Kraft meine Beine verließ. Zuerst langsam, dann mit zunehmender Geschwindigkeit. Ich stieg zu r Seite, versuchte, mich auf dem Bett abzustützen. Dann raste der dreckig graue Teppichboden auf mich zu.
     
    Ein pochender Schmerz an der rechten Schläfe weckte mich. Zuerst wunderte ich mich, warum ich auf dem Boden lag, erinnerte mich jedoch, dass ich mich auf das Bett setzen wollte, es offenbar aber nicht mehr geschafft hatte.
    Langsam stand ich auf und setzte mich auf die Bettkante. Ich musste mir Zeit lassen, musste meinem Krei slauf erlauben , sich an die aufrechte Haltung zu gewöhnen. Auch wenn meine Blase mir eindringlich mitteilte, dass ich dafür nicht unendlich viel Zeit zur Verfügung hatte.
    Ich fühlte mich immer noch nicht kräftig, aber zumindest gelang mir ein kleiner Schritt in Richtung Fenster. Dann noch einer. Den D ritten schaffte ich, ohne mich an der Wand ab zustützen . Das Fußende des Bettes passierte ich humpelnd mit Schmerz en im Oberschenkel, deren Ausmaß sich aber in einem erträglichen Bereich hielt. Ich lehnte mich gegen den Türstock, entlastete das verletzte Bein und atmete tief durch.
    Das Bad war weiß gefliest. Die Toilette befand sich im hinteren, rechten Eck und nichts auf dieser Welt hätte mich dazu bewegen können, mich auf den graubraunen Deckel zu setzen. An der Wand hing ein Waschbecken, daneben auf einem Plastikhaken ein grünes Handtuch. Auf Badewanne und Dusche hatte man vermutlich aus Platzgründen verzichtet. Während ich der Natur freien Lauf ließ, fiel mein Blick auf das Waschbecken. Viel mehr auf einen kleinen Handspiegel, der a uf de m hinteren Rand des Beckens lag. Ein Spiegel . Mir wurde bewusst, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie ich aussah. Mit der linken Hand fuhr ich zu mein em Gesicht, strich über die Nase, Lippen und Wangen. Bartstoppeln stachen . Ich spürte eine unregelmäßige Erhebung. Eine Narbe ? Sie reichte über den Kieferknochen bis zum Hals.
    Nachdem meine Blase, die die Ausmaße eines Heißluftballons haben musste, leer war und ich die Toilettenspülung betätigt hatte, drehte ich den Wasserhahn auf und verteilte das eisige Nass in meinem Gesicht. Immer wieder fiel der Blick auf den Spiegel. Doch etwas in mir weigerte sich, danach zu greifen.
    Es wird dir nicht gefallen, was du siehst. Ganz bestimmt nicht.
    Eine Stimme hallte in meinem Kopf. Tonlos und doch unangenehm laut. Auch wenn ich mir einredete, dass es meine Gedanken waren, meine gedachte innere Stimme, hatte ich das Gefühl, dass ich diese Worte empfangen hatte, als stünde jemand mit einem Funkgerät vor dem Haus und stellte eine Direktverbind ung mit meinem Gehirn her. W er immer es auch war – ich mochte ihn nicht. Ich hasste ihn.
    Als wollte ich beweisen, dass diese ungebetene Stimme Unrecht hatte, griff ich nach dem Spiegel und hielt ihn vor mein Gesicht. Hellblaue Ringe um kleine Pupillen, die von einem Netz aus roten Adern umsponnen waren. Dunkle Streifen unter den Augenhöhlen. Eine wuchtige Nase, über die ein Kratzer bis zur Spitze lief. Blutleere Lippen, die den Eindruck von Unsicherheit ausstrahlten. Blonde Strähnen über der Stirn, auf der sich rechts eine hellblaue Beule abhob. Dunkle Bartstoppel an den Wangen, wobei rechts der Bartwuchs von einer hellroten Narbe unterbrochen war. I ch vermutete, dass es
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