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Das System

Das System

Titel: Das System
Autoren: Aufbau
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sehnte sich nur noch nach Cilia und den Kindern, nach seinem kleinen Haus in der Nähe von Lucca in den Hügeln der Toskana,
     nach einem einfachen Ciabatta, getunkt in kalt gepresstes Olivenöl, und einem von der Abendsonne gewärmten Glas Chianti. Er
     sehnte sich so sehr danach, dass es weh tat.
    Das Einzige, was ihn nach all der Zeit hier oben immer noch begeistern konnte, war der Blick aus dem Fenster. Als er das Destiny-Labor
     erreichte, ignorierte er seine Experimente für einen Augenblick und warf einen langen, sehnsüchtigen Blick auf die Erde, die
     so nah erschien und doch so unerreichbar fern war.
    Von hier oben sah man deutlich, wie dünn die Atmosphäre war, kaum mehr als die Schale eines riesigen, türkisblauen Apfels.
     Man konnte die Schönheit dieses einzigartigen Ortes im Universum erst im Vergleich zur bitterschwarzen Kälte und Leere des
     Weltraums ermessen. Doch die Menschen dort unten interessierten sich kaum für diese Perspektive und führten sich auf, als
     könnten sie jederzeit auf den Mars umziehen, wenn die Lebensbedingungen auf der Erde endgültig ruiniert waren.
    Unter einer Ansammlung von Wölkchen, die aus dieser Höhe tatsächlich wie weidende Schafe aussahen, erkannte er die dänische
     Halbinsel und die deutsche Nordseeküste, die lautlos unter ihm dahinglitten. Hamburg zeichnete sich als schmutziggrauer Fleck
     auf dem satten Grün der norddeutschen Tiefebene ab, ein Häufchen Zigarettenasche neben dem dünnen, krakeligen Strich der Elbe.
    Was würde er dafür geben, jetzt dort unten zu sein.

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    |18| 2.
    Hamburg-Hafencity,
    Mittwoch 16:12 Uhr
    »Was Sie jetzt sehen, ist eine echte Weltpremiere«, sagte Mark Helius. Er unterdrückte den Impuls, sich durch sein kurzes
     schwarzes Haar zu fahren, in dem sich, trotz seiner erst dreiunddreißig Jahre, bereits graue Strähnen zeigten. Er durfte sich
     seine Nervosität nicht anmerken lassen. Mit einem kurzen Blick vergewisserte er sich noch einmal, dass sein graphitfarbener
     Anzug von Gucci perfekt saß und man den Kaffeefleck auf dem hellblauen Manschettenhemd nicht sah. Die Show heute musste perfekt
     laufen, sonst war seine Firma Distributed Intelligence AG, kurz D. I., am Ende. Was das für die Mitarbeiter, die ihm jahrelang
     die Treue gehalten hatten, und für seine eigene Zukunft bedeuten würde, darüber durfte er jetzt auf keinen Fall nachdenken.
    Seine Hand zitterte leicht, als er die Enter-Taste drückte, um das Programm zu starten. Das große, helle Rechteck, das der
     Beamer an die Wand des Konferenzraums warf, beleuchtete die Gesichter der Aufsichtsratsmitglieder. Ihre Skepsis war deutlich
     zu sehen. Besonders die buschigen Augenbrauen von John Grimes, Vertreter des wichtigsten Investors Change Capital Corporation,
     waren zusammengezogen. Seine wässrigen Augen unter ihren herabhängenden Lidern blickten auf die Projektion des Computerbildschirms,
     als erwarte er, dass dort im nächsten Moment ein Systemfehler angezeigt würde.
    Mark wandte sich der kabellosen Tastatur zu. »Hallo DINA«, tippte er in ein Eingabefeld. Die Abkürzung stand für »Distributed
     Intelligence Network Agent«. Es war die Bezeichnung für die Software, die Marks Firma entwickelt hatte.
    »Hallo Mark«, erschien im Ausgabefeld von DINA. »Wie geht es dir heute?« Die Worte wurden groß auf die Wand |19| projiziert. Gleichzeitig wurden sie von einer ruhigen, weiblichen Stimme gesprochen, die aus dem Lautsprechersystem des Konferenzraums
     erklang und der man kaum anmerkte, dass sie von einem Computer erzeugt wurde. Lediglich die Betonung war an einigen Stellen
     unnatürlich.
    »Ich bin etwas nervös«, schrieb Mark. »Wir haben gerade unseren großen Auftritt vor dem Aufsichtsrat.«
    »Oh, dann muss ich mir wohl besondere Mühe geben«, sagte DINA.
    Mark blickte auf. Andreas Heider, Portfolio-Manager bei der Risikokapital-Gesellschaft Earlystage Venture Capital, schmunzelte.
     Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Weseling gönnte ihm ein Lächeln, wenn auch ein eher herablassendes.
    John Grimes lächelte nicht. »Was soll das?«, fragte er mit seiner tiefen Stimme, die von einem starken britischen Akzent geprägt
     war.
    »Was ich Ihnen heute präsentiere«, sagte Mark und legte den Rest seines Stolzes in die Stimme, »ist eine neuartige Benutzerschnittstelle
     für DINA. Unsere Kunden brauchen jetzt für ihre Informationsabfragen keine komplizierte Syntax mehr zu lernen. Sie können
     ihre Fragen ganz einfach in natürlicher
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