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Das System

Das System

Titel: Das System
Autoren: Aufbau
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umrahmt war, glühte vor Wut.
    »Er kann, verlass dich drauf!« Mark barg das Gesicht in den Händen. Sie saßen zu dritt im Konferenzraum, den die Aufsichtsratsmitglieder
     längst verlassen hatten. Leere Kaffeetassen, Kekskrümel und zerknüllte Zuckerpäckchen bedeckten den Tisch, die Trümmer einer
     Schlacht. Alle Rollos waren inzwischen wieder hochgezogen und gaben eine atemberaubende Aussicht auf den Hamburger Hafen und
     die Elbe frei, die tief unter ihnen träge der Nordsee zufloss. Früher war Mark stolz gewesen auf diesen Blick und auf die
     Tatsache, dass D. I. sich eines der schönsten Büros Hamburgs im elften Stock des Hanseatic Trade Center leisten konnte. Heute
     empfand er die teuren Räume nur noch als Klotz am Bein.
    |25| Er seufzte. »Er wird sich die Firma endgültig unter den Nagel reißen. Und ich bin raus.« Und ruiniert, fügte er in Gedanken
     hinzu. Sie werden mir das Haus wegnehmen. Julia wird mir das nie verzeihen.
    »Aber du bist der Gründer! Du hast die Firma aufgebaut!«, sagte Mary.
    »Na und?«
    »Ohne dich fehlt die strategische Linie! Die Vision!«
    »Grimes will keine Vision, er will Umsatz.«
    »Das ist doch kurzsichtig! Wir haben die weltbeste Software, um …«
    »Die weltbeste Software? Dass ich nicht lache!« Wut und Enttäuschung schnürten Mark die Kehle zu. »Einen Scheiß haben wir!
     Du hast doch gesehen, was DINA für einen Mist gerechnet hat!«
    »Ein kleiner Fehler, das kann doch mal passieren …«
    »Das passiert aber in letzter Zeit andauernd! Ich kann die Universia verstehen. Was nützen Simulationsergebnisse, denen man
     nicht trauen kann? Im Grunde hat Grimes recht. DINA funktioniert einfach nicht!«
    Stille trat ein. Beide wandten sich Ludger zu, der die ganze Zeit kreidebleich und mit zusammengepressten Lippen dagesessen
     hatte.
    »Sag du doch auch mal was!«, fuhr ihn Mark an.
    Ludger schüttelte nur den Kopf.
    »Was ist denn los, verdammt noch mal? DINA hat doch früher nie Probleme gemacht. Es kann doch nicht so schwer sein, eine Software
     zu schreiben, die funktioniert!«
    Ludger sah Mark an, und sein schmales Gesicht, das immer so ruhig und beherrscht war, der Inbegriff kühler Vernunft, verzerrte
     sich plötzlich.
    »Nicht so schwer?« Seine Stimme bebte. »Du hast ja überhaupt keine Ahnung!«
    »Stimmt, ich hab keine Ahnung.« Mark umklammerte mit beiden Händen die Tischkante, um sich selbst daran zu hindern |26| loszubrüllen. »Ich bin schließlich nur Diplomkaufmann und kein gottverdammtes Informatik-Genie wie du. Ich weiß nur, dass
     die Firma den Bach runtergeht, weil du und deine Programmierer euren Job nicht hinkriegt!«
    »Das reicht!« Ohne ein weiteres Wort stand Ludger auf und verließ den Konferenzraum. Die Tür krachte hinter ihm ins Schloss.
     Es war ein Gefühlsausbruch, wie er ihn nur sehr selten zeigte.
    Mark warf Mary einen betretenen Blick zu. Er wusste, dass er ungerecht gewesen war – Ludgers Team hatte etliche Spätschichten
     eingelegt, um rechtzeitig zur Aufsichtsratssitzung die neue Version der natürlichsprachlichen Schnittstelle fertigzustellen.
     Dass unter derartigem Zeitdruck Fehler passierten, war ganz normal. Aber sie konnten sich solche Fehler einfach nicht leisten,
     gerade jetzt, wo es um ihre Existenz ging!
    »Ich werde mich wohl bei Ludger entschuldigen müssen«, sagte er.
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte Mary. »Ludger weiß, dass du es nicht so meinst. Jetzt geh erst mal nach Hause und ruh dich
     aus! War ein harter Tag heute. Morgen redest du noch mal in aller Ruhe mit ihm, dann sieht die Welt schon wieder anders aus.«
    Mark sah auf seine Uhr – eine goldene Audemars Piguet mit schwarzem Zifferblatt, die er sich vor ein paar Jahren im Überschwang
     der Begeisterung über die erste große Finanzierungszusage gegönnt hatte. Er nickte. Es war zwar erst halb sechs, aber enttäuscht,
     müde und abgekämpft, wie er war, würde er vielleicht nur wieder etwas Dummes sagen, wenn er jetzt mit Ludger weiterdiskutierte.
    Als er den Konferenzraum verließ, sahen ihn die Mitarbeiter im Großraumbüro mit fragenden Mienen an. Nachdem Ludger kurz zuvor
     wütend vorbeigestürmt war, war es für sie offensichtlich, dass die Aufsichtsratssitzung schlecht gelaufen sein musste und
     sie sich gestritten hatten.
    |27| Verdammt, Ludger war zu Recht sauer. Dieses Team war einfach großartig. Es zerriss ihm fast das Herz, zu wissen, dass er bald
     kein Teil mehr davon sein würde. Wenigstens behielten ein paar von ihnen
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