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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame
Autoren: Leo Malet
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Ihr Chef noch auf falsche Gedanken.“
    Sie sah mir tief in die Augen.
    „Gut, M’sieur “,
sagte sie und verschwand.
    Ich setzte mich auf die Bettkante,
stopfte meine Pfeife und rauchte im Takt der Geräusche aus der Welt der Arbeit.
Nach vorn gebeugt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, beobachtete ich die ersten
Schritte der ersten Fliege des Frühlings auf dem gebohnerten Fußboden.
    Yves Bénech ... Marie-Chantal... Madame Ailot ...
     
    * * *
     
    Ich klopfte die Pfeife aus, reckte und
streckte mich und stand vom Bett auf. Dann öffnete ich meine Zimmertür und
lauschte. Im Erdgeschoß quälte sich ein Staubsauger bei der Arbeit. Eine
ziemlich ungewöhnliche Zeit für derartige Übungen. Aber das war auch das
einzige Geräusch im ganzen Haus. Hier in der dritten Etage herrschte absolute
Stille. Ich trat auf den Flur hinaus, meinen Schlüsselbund mit dem allzeit
bereiten Passepartout in der Hand. Ziel: Nr. 29.
    Das Zimmer von Yves Bénech sah genauso
aus wie meins. Dasselbe Strickmuster, unpersönlich, schlicht und geschmacklos
wie alle Hotelzimmer, in denen man nicht ständig wohnt. Ich fand nichts
Aufregendes, und schon gar nicht die Klunker von Madame Ailot. Hatte ich auch
nicht erwartet. Vor allem, weil ich nicht die nötige Zeit hatte, um die
Klamotten des Chauffeurs genau unter die Lupe zu nehmen. Ich wollte mir nur mal
schnell das Zimmer ansehen. Manchmal lernt man dadurch den Bewohner besser
kennen, als wenn man ihm persönlich gegenübersteht.
    Kurz darauf verließ ich das Hotel,
Pfeife im Mund. Ich ging die Rue de Boulainvilliers hinauf, vergewisserte mich, daß mein Dugat immer noch
dort stand, wo ich ihn geparkt hatte, und rief dann aus einem Hotel in der Rue
Bois-le- Vent die Nummer Ranelagh 91-87 an.
    „Hat’s schon geklappt?“ fragte meine
Klientin.
    „O nein, Madame“, antwortete ich. „So
schnell bin ich nun auch wieder nicht. Wollte Ihnen nur sagen, daß unser Mann
immer noch in dem Hotel wohnt und vorläufig auch wohl nicht ausziehen wird.
Immerhin etwas. Außerdem... Ich habe ein Zimmer in demselben Hotel gemietet.
Natürlich unter einem anderen Namen. Falls Sie mich dringend sprechen wollen,
fragen Sie nach Monsieur Dalor .“
    „ Dalor ?
Komischer Name...“
    Ich sagte ihr nicht, daß der
entsprechende Vorname noch viel komischer war. Nach ein paar belanglosen Worten
legten wir auf. Dann wählte ich die Nummer der Agentur Fiat Lux. Meine
Sekretärin meldete sich.
    „Hélène, mein Schatz. Ich bin’s, Ihr
Chef. Hab ‘n Höhenfurz gekriegt und mich vorübergehend im 16. eingemietet.
Packen Sie mir doch bitte ‘n paar Klamotten zusammen, damit der Hotelbesitzer
nicht an meinen Märchen zweifelt, die ich ihm aufgetischt habe. Hab ihm
erzählt, ich käm aus der Provinz. Werfen Sie
irgendetwas in den Koffer. Vor allem meinen Rasierapparat, ein Hemd zum
Wechseln, Strümpfe und einen Pyjama.“
    „Sonst noch was?“ fragte Hélène
lachend. „Gehört das auch zu den Aufgaben einer Sekretärin, in Ihrer Wäsche
rumzuwühlen?“
    „Würd ich gerne bei Ihnen machen...“
    „Wie Sie schon sagten: vorübergehender
Höhenfurz.“
    „Eher niedere Instinkte. Also gut, ich
werde den Kram am späten Nachmittag abholen. Was anderes...“
    „Klar, Sie haben bei der Aufzählung
eine Unterhose vergessen.“
    „Das auch. Aber sehen Sie doch mal in
unserer Kartei nach, Abteilung ,Hauspersonal’ ,
Unterabteilung ‚Chauffeure’. Ich suche die Adresse eines Bistros.“
    „Für Chauffeure?“
    „Ja. Für echauffierte Chauffeure. Und
jetzt ran an die Arbeit.“
    „Jawohl, Chef.“
    Sie legte den Hörer auf den Tisch. Ich
hörte sie vor sich hin summen. Zehn Sekunden später war sie wieder in der
Leitung: „Was hier auf der Karte steht... klar wie dicke Tinte. Aber das sind
Sie ja gewohnt...“
    „Sagen Sie’s schon!“
    „Chaussée
de La Muette, früher Rue de Berri. Hieß die Chaussée
de La Muette früher Rue de Berri ?“
    „ Unwichtig . Weiter !“
    „Bar-tabac La
Gauloise, Honoré .“
    „La Gauloise? Danke, mein Schatz. Und
denken Sie an meinen Koffer, ja? Hab’s mir überlegt: ‘ne Unterhose brauch ich
auch noch...“
    Ich machte mich auf den Weg in die Chaussée de La Muette . Das rege
Treiben der Geschäftsstraße Rue de Passy endete an den Tischbeinen der sonnigen
Terrasse des La Gauloise . Die Autos, die zum Bois de Boulogne fuhren, glitten leise vorbei. Im 16.
Arrondissement gibt es fast keine Autos, die Krach machen. Die Leute, die aus
der Metrostation gegenüber an die
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