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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame
Autoren: Leo Malet
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verdreht. Eine mehr in meiner großen
Sammlung!
    Ich klopfte meine Pfeife aus und
startete den Wagen in Richtung Rue de Boulainvilliers .
Ich parkte ihn in der Rue des Maronniers und ging zu
Fuß zu Yves Bénech, der einzigen Person, die mich laut Vertrag mit Madame Ailot
zu interessieren hatte.
     
    * * *
     
    Das Hotel hätte Boulainvilliers oder Raynoaurd heißen können. Es stand nämlich genau
an der Ecke dieser beiden Straßen, nicht weit von der Bushaltestelle der 52.
Aber es hieß Hôtel de l’Assomption ,
wahrscheinlich weil sich ganz in der Nähe gleich nebenan die Straße desselben
Namens befand.
    Die Fassade des Hauses schrie nach
Farbe. Frag mich so langsam allen Ernstes, wo der Unterschied zwischen besseren
und schlechteren Vierteln liegt. Ich muß zugeben, daß ich das 16.
Arrondissement nicht besonders gut kenne. Bin nur ziemlich selten dort
rumgelatscht. Vier- oder fünfmal vielleicht in meinem jungen Leben. Es ist ein
piekfeines, großbürgerliches Arrondissement, das mich ein wenig einschüchtert.
Als mich Madame Ailot telefonisch zu sich bestellt hatte, hatte ich sogar etwas Schiß gehabt. Aber ich fand mich schneller zurecht,
als ich gedacht hatte. Die Gegend kam mir vor, als wär sie extra für mich
gemacht worden. Erstaunlich, wieviel unbebautes
Gelände und Brachland es hier gibt. Unglaublich! Sieht fast so aus wie im 13 . Arrondissement, um die Place d’Italie herum. Und das will was heißen...!
    Die zweite Ähnlichkeit, die mir
auffiel, war die mit einem Friedhof. Überall wird man daran erinnert, wer in
diesem oder jenem Haus geboren oder gestorben ist. Zum Beispiel Jean Richepin , in der Rue de la Tour, oder Théophile Gautier,
der liebe Théo, wie er genannt wurde... oder Victor Hugo, der gute alte V. H—
oder die Comtesse Mathieu Brancovan de Noailles , die Dichterin mit dem großen Herzen, in der Rue
Scheffer... und Paul Valéry oder Sétois oder Georges
Brassens... usw. usw. Ein Friedhof mit viel unbebautem Gelände...
    Um wieder auf das Hôtel de l’Assomption zurückzukommen: langsam aber sicher
fraß der Rost das Schild über der Tür. Das Wort „Hotel“ war zu „H .. el “ verkürzt. Aber der Besitzer
schien wohl keinen Eindruck schinden zu wollen. Bloß keinen Sand in die Augen
streuen! Dagegen sah die längliche Eingangshalle ganz anständig aus, beinahe
luxuriös. Hinten befand sich die Rezeption, davor die unvermeidliche immergrüne
Grünpflanze. Dahinter saß ein dicker Kerl neben einem duftenden Strauß
Feldblumen und telefonierte. Er war zwar in Hemdsärmeln, hatte sich aber eine Krawatte
um den Hals gewürgt, als wollte er zu einer Hochzeit oder Beerdigung. Als ich
näherkam, grüßte er mit einem leichten Kopfnicken, ließ sich aber beim
Telefonieren nicht stören. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich mit dem Stift
spielte, der auf der Schreibunterlage lag. Gleichzeitig warf ich einen
Rundblick um mich. Neben dem Schlüsselbrett hing verschämt ein Schildchen mit
der Aufschrift „ Complet “. Aber das hatte wohl
nichts zu bedeuten. Mir kam eine Idee. Der Dicke legte auf, wandte sich mir zu
und fragte mich freundlich, was ich wollte.
    „Ein Zimmer, bitte“, antwortete ich
ebenso freundlich.
    „Für wie lange?“
    „Bis ich Arbeit finde. Ich bin
Chauffeur. Privatchauffeur. Komm grade aus der Provinz, um Paris zu erobern.“
    Er nickte.
    „Ach so, um Paris zu erobern ..
    ,Warum nicht?’ dachte er wohl. Die Rastignacs machten keinen großen Eindruck auf ihn. Hatte
Balzac nicht einen Katzensprung weiter weg gewohnt, in der Rue Berton? Sein
linkes Schweinsäuglein blinzelte amüsiert. Dann ging er aber sofort zu ernsten
Dingen über. Ja, er habe etwas sehr Hübsches für mich, in der dritten Etage. Er
nannte den Preis. Auch sehr hübsch, der Preis. Für ihn. Während er sprach, sah
er sich unauffällig nach meinem Koffer um.
    „Hab mein Gepäck am Bahnhof gelassen“,
erklärte ich.
    Er murmelte so was Ähnliches wie
„Verstehe“. Ich füllte das Anmeldeformular aus. Bei solchen Gelegenheiten
benutze ich mein Pseudonym Dalor . Ich bezahlte für
eine Woche im voraus , was soviel wert ist wie ein gültiger Personalausweis und drei
Koffer. Der Fettkloß — wahrscheinlich der patron des Hotels — sammelte Geld und Formular ein und drückte auf eine Klingel.
Sofort erschien ein Zimmermädchen auf der Bildfläche. Sie trug ein niedliches
Häubchen auf ihren blonden Haaren und eine Schürze mit Volants. Die Kleine war
mollig, mit dicken roten Lippen in einem
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