Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame
Autoren: Leo Malet
Vom Netzwerk:
schön.“
    Das klang schroff. Sehr schroff.
    „Die Banknoten sind neu“, bemerkte ich
und knisterte mit ihnen, „mit fortlaufenden Nummern. Sie haben die Nummern doch
sicher notiert, oder?“
    Ihre Wimpern flatterten, als täten ihr
plötzlich die Augen von dem Licht weh. Ein flüchtiger Schatten schien ihre
Pupillen zu verdunkeln.
    „Notiert? Ach ja... natürlich!“
    In ihren Augen stand eine stumme
Frage. Ich verzog skeptisch das Gesicht und gab einen ziemlichen Quatsch von
mir. Aber ich wollte was Bestimmtes rauskriegen.
    „Hm...“, machte ich. „Also, wenn Sie meine
Meinung wissen wollen... Das ist eine ziemlich unsichere Waffe, Madame.
Außerdem wird sie schnell stumpf. Aber man kann’s ja mal probieren, nicht wahr?
Doch, ich glaube, wir werden ihm das Geld geben müssen. Das vereinfacht die
Dinge, wie Sie schon so richtig sagten. Und die notierten Nummern sind
vielleicht keine schlechte Waffe, falls dieser Mensch einen Skandal
heraufbeschwört, den Sie vermeiden wollen. Dann können Sie ihn nämlich
beschuldigen, Ihnen das Geld gestohlen zu haben. Eine unsichere Waffe,
zugegeben — in unserer Zeit sind hunderttausend Francs im Nu aufgebraucht — , aber besser als gar nichts.“
    „Hm...“, machte jetzt meine Klientin.
    Dann schwiegen wir wieder gemeinsam.
Nur das Kastanienblatt am Fenster war zu hören. Ich räusperte mich und sah auf
die Scheine in meiner Hand. Das verdammte Bedürfnis zu rauchen wurde immer
heftiger. Es wurde noch verstärkt durch einen Zwerg aus Sèvresporzellan ,
der auf dem unteren Fach eines Tischchens stand, eine riesige Pfeife im Mund.
Oh! Bald konnte ich nach Herzenslust qualmen, mich meinen heißgeliebten
Tabakstudien widmen! Ich spürte es. Du bist zu intelligent, Nestor Burma! So
intelligent, scharfsinnig und raffiniert, daß man dich für blöd hält. Madame
Ailot seufzte:
    „Sie sind ein kluger Kopf, Monsieur“,
sagte sie lächelnd.
    Ich atmete tief durch. Sie konnte
Gedanken lesen, auch wenn sie’s nicht wußte.
    „Gezwungenermaßen“, antwortete ich,
„schließlich verdiene ich damit mein tägliches Brot.“
    „A propos ...
Was Ihr Honorar betrifft Weitere fabrikneue Scheine gesellten sich zu der
milden Gabe, die für Célestin bestimmt war. Ich stopfte die Bündel in meine
Tasche.
    „Ich glaube“, kommentierte meine neue
Klientin die Transaktion, „das wird genügen, und...“
    „Entschuldigen Sie, Madame“,
unterbrach ich sie. „Wie sieht dieser Yves Bénech aus? Würd mir gern ein Bild
von ihm machen, bevor ich ihn aufsuche.“
    Sie beschrieb mir ihren Ex-Chauffeur
als einen Mann von fünfunddreißig Jahren und einhundertsiebzig Zentimetern, mit
athletischer Figur und dem Gesicht eines jugendlichen Liebhabers, das sich für
Postkarten oder Fotoromane eignet: ein hübscher junger Mann mit einem Blick,
der die Frauen zugrunde richtet. „Sie haben nicht zufällig ein Foto von ihm?“
fragte ich.
    Sie erstarrte unmerklich. Die
Krähenfüße, die durch geschickte Massage aus ihrem Gesicht verschwunden waren,
kehrten im Galopp wieder zurück.
    „Ein Foto?“ wiederholte sie
überflüssigerweise. „Nein, ich habe kein Foto von diesem Menschen. Warum sollte
ich ein Foto von ihm haben?“
    „Weiß ich nicht. Aber er könnte ja ein
paar Sachen hier im Haus vergessen haben, zum Beispiel Fotos
    „Er hat nichts vergessen. Er hat alles
mitgenommen, was ihm gehörte, und dazu...“
    „...noch das, was ihm nicht gehörte.
Ich weiß. Entschuldigen Sie...“
    Ich lächelte, um meine Verlegenheit zu
verbergen.
    „In jedem Beruf gibt es Routine,
Mechanismen, stehende Redewendungen. Und manchmal rutscht uns ein Satz raus,
völlig grundlos. Übrigens brauch ich überhaupt kein Foto. Ich soll ihn ja nicht
beschatten, sondern Kontakt mit ihm aufnehmen. Und das werd ich gleich jetzt tun. Falls es nicht klappt, dann spätestens morgen. Sobald es
was Neues gibt, ruf ich Sie an. Ihre Telefonnummer...?“
    „ Ranelagh 91-87.“
    Ich notierte mir auch das.
    „Wann kann ich Sie anrufen, ohne Sie
zu stören?“
    „Wann Sie wollen. Für Sie bin ich
jederzeit zu sprechen.“
    „Was anderes... Wann wurde der Schmuck
gestohlen?“
    „Samstag. Célestin war noch hier in
Stellung. Sein letzter Tag. Ich habe den Diebstahl erst Montag entdeckt.“
    „Gestern also. Hehler respektieren
weder die Sonntagsruhe noch die Montagsruhe der Frisöre. Aber vielleicht konnte
sich Célestin noch nicht mit einem in Verbindung setzen.“
    „Das hoffe ich sehr. Wir haben uns
also
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher