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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Brad Meltzer
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und trotzdem erinnert Harris sich noch an den Gesichts- schmuck unseres Schuhputzers. Warum überrascht mich das nicht? Im Unterschied zu den meisten Monstern, die durch diese Hallen wandeln, redet Harris nicht nur aus politischem Kalkül mit den Leuten. Es ist seine Gabe. Er hat sie als Sohn eines Friseurs von seinem Vater geerbt. Die Leute lieben ihn dafür. Die Senatoren scharen sich um ihn, wenn er einen Raum betritt, und aus demselben Grund schaufelt ihm die Bedienung in der Cafeteria eine Extraportion Huhn aufsein Burrito.
    Harris hat mittlerweile Enemarks graues Jackett vom Haken genommen und greift nach dem Revers. Die Toilettenspülung hinter uns rauscht. Wir wirbeln zu der Kabine herum. Harris hält immer noch das Jackett in der Hand. Bevor einer von uns reagieren kann, schwingt die Tür der Kabine auf.
    Als blutige Anfänger wären wir jetzt mit Sicherheit in Panik verfallen. Statt dessen beiße ich mir auf die Innenseite meiner Wange und nehme mir ein Beispiel an Harris' Gelassenheit. Die alten Instinkte setzen ein. Als die Tür der Kabine sich ganz öffnet, versuche ich, dem Kongreßabgeordneten in den Weg zu treten. Harris braucht nur ein paar Sekunden. Leider ist Enemark zu schnell für mich.
    Er weicht mir aus, ohne hochzusehen. Enemark verdient sein Geld damit, Leuten aus dem Weg zu gehen. Er marschiert schnurstracks zur Garderobe. Wenn er Harris mit seinem Jackett in der Hand erwischt...
    »Kongreßabgeordneter!« rufe ich. Er hält nicht inne. Ich will ihm folgen, doch als ich mich umdrehe, sehe ich zu meiner Überraschung, daß Enemarks Jackett regungslos am Haken hängt. Von rechts höre ich fließendes Wasser. Harris wäscht sich die Hände. Ihm gegenüber sitzt LaRue. Er stützt sein Kinn in die Hand und schaut gebannt C-SPAN. Seine Finger liegen auf seinen Lippen. Nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sagen.
    »Wie bitte?« Enemark nimmt sein Jackett vom Haken. Er legt es so über seinen Unterarm, daß ich das Revers nicht sehen kann und den Anstecker auch nicht.
    Ich schaue Harris an. Dessen Gelassenheit ist beinahe hypnotisch. Seine grünen Augen verschwinden fast in den Falten, und seine schwarzen Augenbrauen beherrschen das ganze Gesicht. Ein Japaner wäre einfacher zu enträtseln.
    »Haben Sie etwas gesagt?« wiederholt Enemark.
    »Wir wollten nur hallo sagen, Sir«, kommt Harris mir zu Hilfe. »Es ist uns wirklich eine Ehre, Sie kennenzulernen. Stimmt doch, Matthew?«
    »Un ... Unbedingt«, bringe ich heraus.
    Enemarks Brust schwillt unter dem Kompliment. »Das höre ich gerne.«
    »Ich bin Harris Sandler«, stellt Harris sich vor, obwohl Enemark nicht gefragt hat. Er tritt vom Waschbecken weg und mustert den Kongreßabgeordneten wie ein Schachbrett. Die einzige Möglichkeit, um zehn Züge voraus zu bleiben.
    Der Kongreßabgeordnete reicht ihm die Hand, aber Harris weicht zurück. »Entschuldigung, nasse Hände«, erklärt er. »Das ist übrigens Matthew Mercer, Kongreßabgeordneter. Er erstellt den Haushalt des Inneren für den Kongreßabgeordneten Cordeil.«
    »Tut mir leid, das zu hören«, versetzt Enemark mit ei- nem spöttischen Lachen, während er mir die Hand schüttelt. Arschloch. Ohne ein weiteres Wort schlägt er sein Jackett auf und schiebt einen Arm hinein. Ich überprüfe das Revers. Nichts.
    »Noch einen schönen Tag, Sir«, meint Harris, während Enemark den anderen Arm hineinsteckt. Er läßt die Schulterblätter kreisen und zieht das Jackett zurecht. Als es sich vor seiner Brust schließt, fällt mir ein Blinken ins Auge. Da ... auf dem anderen Revers ... ein Anstecker mit einer winzigen amerikanischen Flagge ... ein kleines Dreieck mit einer Ölquelle und ... der Lorax mit einem lächelnden Dr. Seuss.
    Ich nicke Harris zu. Er sieht hoch und grinst. Als ich Erstsemester an der Duke war, war Harris schon ein höheres Semester. Er hat mich in die Burschenschaft geschleust und mir Jahre später den Job hier auf dem Hügel verschafft. Damals war er mein Mentor, heute ist er mein Held.
    »Sieh mal an«, sagt Harris zu dem Kongreßabgeordneten. »Wie ich sehe, tragen Sie das Holzfäller-Maskottchen.«
    Ich drehe mich zu LaRue um. Der starrt angestrengt auf den Boden, um sich das Lachen zu verkneifen.
    »Ja ... ich denke schon«, bellt Enemark und bedenkt den Lorax mit einem flüchtigen Blick. Anscheinend hat der Kongreßabgeordnete es eilig, unsere Plauderei zu beenden. Er hastet aus dem Waschraum in den Sitzungssaal gegenüber. Wir rühren uns nicht, bis
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