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Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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abtreiben, dem Fisch hinterher, der schon weit entfernt war und gegen das Untergehen kämpfte. Wir sahen ihre Köpfe kleiner werden und dann in einer Flussbiegung hinter den weit überhängenden Bäumen verschwinden.
    »Du kannst rüberkommen«, rief Gregor dem zitternden Änderlin zu, als keiner von uns Anstalten machte, sich zu regen. Änderlin, der sich noch immer gegenüber an den Ästen festhielt, schwamm so schnell er konnte auf unsere Seite. Gregor bückte sich, hielt ihm die Hand hin und zog ihn herauf. Änderlin rollte sich zusammen und begann zu weinen. Ich bückte mich mit Knien, die so steif waren, als hätte ich sie niemals im Leben gebeugt, und klopfte ihm ungeschickt auf den Rücken.
    Gregor sah mich. »Du blutest«, sagte er. Ich hatte es noch nicht gemerkt. Er grinste, dass sein mageres Gesicht rund umdie ausgeprägte Nase viele Falten zeigte. »Hast mit deinem Zinken gegen eine Faust gehauen, was? Brutaler Kerl.«
    »Warum hast du das getan?«, stieß ich hervor.
    »Sie hätten deinen Freund ersäuft.«
    »Nein, das ...« Ich wies auf das nasse Ufer, wo die Freunde des Fischs um ihr Leben gekämpft hatten. Gregors Grinsen verzog sich, bis zu viele Zähne sichtbar waren.
    »Hunde muss man prügeln, damit sie kuschen.«
    In der Abendmesse brüllte der Bischof noch lauter als gewöhnlich durch den Dom. Er hatte den Kampf um die Gerichtshoheit in Schwabmünchen verloren, und Gregors Vater, der Strassvogt, war zu ihm gekommen, um ihn darüber zu informieren, dass er die Seiten gewechselt und sich den Gegnern des Bischofs, den Stadtbehörden, angedient habe und angenommen worden sei. Während des schwierigen Gesprächs zwischen den einstigen Verbündeten war Gregor vor den Stadtmauern umhergestreift und hatte den Weg zu uns gefunden.
    Der Fisch hatte die Niederlage aus seinem Gehirn verdrängt; unsere Befürchtung, dass er und seine Kumpane uns einzeln abpassen und umbringen würden, erfüllte sich nie. Er blieb der Schrecken der Gassenkinder und Bettler des Jakoberviertels, bis die Stadtväter an einem kalten Tag eineinhalb Jahre später seine Mutter auf dem Perlach an den Schwanz eines Esels binden, ihr das Oberkleid aufreißen und ihren bloßen Rücken mit Ruten ausstreichen ließen, während der Esel sie durch die Gassen aus der Stadt zerrte. Der Fisch wurde gefesselt hinterdrein geführt, blond und blass und reglos starrend wie eh und je, fast einen Kopf größer als die Waibel, die ihn in die Mitte genommen hatten. Des Fischs Mutter hatte ihr Gewerbe entweder zu sorglos betrieben oder zu aufdringlich versucht, dem mächtigen Georg Onsorg Geld abzupressen. Sie wurden beide aus der Stadt verbannt und taumelten – sie mit zerschundenem Rücken und er mit gefesselten Händen – in den regnerischen Spätherbsttag und eine ungewisse Zukunft hinein, in der die Städte und Dörfer im weiten Umkreis der Reichsstadt Augsburg angehörten und die Verurteilten aus ihrem Einflussbereich hinausgeißelnwürden, ob es regnete oder schneite oder draußen die Wölfe auf den Feldern heulten.
    Nach diesem Tag im Sommer 1441 war es zwischen Änderlin Rem und uns nie mehr wie zuvor; und noch etwas änderte sich. Gregors Vater besuchte den Bischof nicht mehr, und es dauerte lange Jahre, bis ich den Sohn wiedersehen sollte.

4.
    »Es ist lange her«, sagte Gregor.
    Dann überraschte er mich, als er einen Schritt vortrat und mich umarmte. Er klopfte mir auf den Rücken und drückte mich fest an sich; ich erwiderte seine Begrüßung eher unbeholfen. Der Wachführer beobachtete uns mit offenem Mund.
    Gregor machte sich los und sah mir grinsend ins Gesicht. Seine Hände griffen noch einmal herzlich an meine Schultern.
    »Petrus der Fels!«, rief er, und meine Überraschung wurde sauer angesichts des unwillkommenen Necknamens, mit dem er mich immer belegt hatte. Wie früher machte ich gute Miene dazu. »Ich hoffe, nicht du hast den Kerl da drin auf dem Gewissen.«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Hast dein Pensum an Morden für dieses Jahr wohl schon hinter dir?«
    Ich zuckte mit den Schultern und war mir der Blicke bewusst, die wegen Gregors ungestümer Begrüßung, vor allem aber wegen seines schlechten Scherzes auf uns ruhten. Gregor schüttelte lächelnd den Kopf. Sein schmales Gesicht zeigte dabei mehr Falten als früher, und das Haar hing weniger lang in seine hohe Stirn; doch ansonsten hatte die Zeit an ihm weniger Spuren hinterlassen als an mir. Unter seinen Augen lagen Schatten, seine Mundwinkel waren angespannt; das
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