Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Spiel des Alchimisten: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
begannen damit, Änderlin unterzutauchen. Der Arm des Fischs bewegte sich wie ein langsamer Pumpenschwengel: untertauchen, hochkommen lassen, untertauchen. Seine Kumpane lachten wie blöde, er lachte nicht. Seine Augen blickten konzentriert, und seine Zähne waren gefletscht. Änderlin wollte Atem holen, wenn er an die Oberfläche kam, doch das, was vor allem in seinen weit geöffneten Mund geriet, war Wasser. Er gurgelte, hieb mit den Armen um sich und begann zu ertrinken. Untertauchen, hochkommen, untertauchen. Die sanfte Strömung des sommerlich trägen Flusses begann sie abwärts zu tragen. Wir hörten das pfeifende Atemholen Änderlins, sein Husten und Spucken und das Lachen der Freunde des Fischs, und dann hörten wir über unsere Schultern eine laute Stimme rufen: »Drei Säue versuchen einen Otter zu ertränken. Das hab ich noch nie gesehen.«
    Wir kannten Gregor von Weiden vom Sehen. Er war wenig älter als ich, etwa dreizehn, der Sohn des Strassvogtes von Schwabmünchen, um das der Bischof und die Stadt zu jener Zeit heftig rangen. Der Vogt war Bischof Peter zugetan und oft im Bischofspalast gewesen, um sich mit seinem Lehnsherrn zu beraten. Manchmal hatte sein Sohn ihn begleitet. Er hatte sich mit hellen, neugierigen Augen umgesehen, wenn sein Vaterneben dem massigen Bischof herschritt und er versuchte, mit den beiden Erwachsenen Schritt zu halten; zuweilen hatte er uns zugenickt, wenn er und die Männer im Dom an uns vorbeieilten, doch wir hatten ihn mit der kleinen Jungengruppen eigenen Herablassung ignoriert. Wir wussten nicht, wie er jetzt zu uns herausgefunden hatte und weshalb er hier war; er überragte uns alle um mindestens einen Kopf, hatte breitere Schultern und vor allem das selbstbewusste Auftreten eines Herrensprösslings, und wir wichen beiseite und überließen ihm das Feld, auf dem wir ohnehin keinen Versuch gemacht hatten, uns zu behaupten.
    Der Fisch ließ Änderlins Haare los und machte eine Handbewegung, wie um eine Fliege zu verscheuchen. Änderlin kämpfte sich matt zum gegenüberliegenden Ufer und klammerte sich an überhängende Äste. Wir hörten sein Keuchen und dann sein Schluchzen.
    »Was hast du gesagt?«, rief der Fisch mit überschnappender Stimme.
    »Ich habe euch Säue genannt«, erwiderte Gregor bedeutend ruhiger.
    »Holt ihn euch«, sagte der Fisch zu seinen Kumpanen und begann, langsam zum Ufer zu paddeln.
    Seine Freunde waren dem Ufer näher und schneller. Sie begannen, sich an dem ausgewaschenen, halb überhängenden Stück Erde und Gras hochzuziehen, das das Ufer darstellte. Gregor zögerte keine Sekunde. Anders als wir war er angezogen – Hemd, Hose und halbhohe Stiefel. Er holte aus und trat dem ersten der beiden Jungen ins Gesicht. Dieser ließ los und fiel ins Wasser zurück. Der andere schrie zornig auf und versuchte sich Gregors Fuß zu angeln, doch der sprang zurück, trat so heftig er konnte nach der klammernden Hand und dann in den vor Schmerz aufgerissenen Mund.
    Wir sahen ebenso entgeistert zu wie der Fisch, der sich mühsam Wasser tretend an der Oberfläche hielt und gegen das Gewicht seiner nassen Lumpen ankämpfte. Die Strömung nahm ihn weiter mit nach unten. Es war nicht die EinmischungGregors, die uns am meisten überraschte; es war die brutale Rücksichtslosigkeit, mit der er die Freunde des Fischs immer wieder vom rettenden Ufer wegtrat, wenn sie versuchten, dem Wasser zu entkommen. Nach ein paar Attacken wendete sich das Blatt, und sie versuchten nicht mehr, Gregor zu erwischen, sondern ihr Leben zu retten. Das Wasser war kalt, ihre Kleider zogen an ihnen, und ihre Schwimmkünste waren nicht so ausgeprägt, dass sie dem nassen Element auch nur ein bisschen vertraut hätten. Ihre Gesichter waren nun so blass wie das Änderlins, ihre Augen ähnlich weit aufgerissen. Als der eine von ihnen eine gewaltige Portion Wasser schluckte und sich in seiner Angst, ertrinken zu müssen, an seinen Kumpan klammerte, sodass beide unterzugehen drohten, wurden sie von Panik überwältigt. Sie wirkten wie zwei ängstliche Frösche, die vor einer Ringelnatter fliehen, als sie sich mehr auf das Uferstück warfen denn zogen, und sie schrien gleichzeitig Bitten und Flüche.
    Gregor trat sie wieder zurück ins Wasser. Sie spritzten und platschten und versuchten hustend und würgend an der Oberfläche zu bleiben. Ihre Lippen waren aufgeplatzt, ihre Nasen bluteten, doch die größten Wunden in ihren Gesichtern waren die Augen, die zu uns heraufstarrten. Sie ließen sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher