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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
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war.
    Zwischendurch spann er den verrückten Gedanken, dass er sich vielleicht gar nicht auf einem Brückenbogen über einen Abgrund bewegte, sondern auf der Außenseite eines riesigen Rings, der im Dunkel schwebte, ohne Anfang und Ende, und dass er, Ferras Vansen, für Verbrechen verurteilt, von denen er selbst nicht genau wusste, worin sie bestanden (obwohl er sich vieler Dinge schuldig fühlen konnte), ewig so weiterwandern würde, ohne jemals zu sterben, eine unbefristete Strafe.
    Aber konnten die Götter wirklich so grausam sein? Und wenn ja, warum war er dann immer noch so müde wie ein Sterblicher?
    Und warum beschäftigten ihn ständig die Götter? Warum lasteten sie so auf seinen Gedanken? Sooft er sich zu erinnern versuchte, wie er hierher gekommen war, glitt ihm das, was eben noch greifbar erschienen war, durch die Finger wie Nebel. Er wusste beim besten Willen nicht mehr, wo er vorher gewesen war — ja, eigentlich überhaupt nichts mehr seit dem Moment, da er sich gegen die Wächter in der unterirdischen Festung des Halbgottes gestellt hatte. Er meinte sich dunkel an eine Stadt zu erinnern, und da war etwas, das mit seinem Vater zu tun hatte, aber das waren sicher bloß Träume gewesen, denn sein Vater war ja schon lange tot.
    Aber wenn er das nur geträumt hatte, was war dann das hier? Wo war er? Wie war er auf diesen endlosen Bogen gekommen?
    Was würde geschehen, so fragte er sich, wenn er einfach von dieser absurden Brücke ins Leere träte? Könnte das, was dann passierte — der Tod oder ein ebenso endloser, sinnloser Fall in die Tiefe —, wirklich so viel schlimmer sein? Er beschloss, sich diese Möglichkeit offenzulassen — als letzten Ausweg. Vielleicht entpuppte es sich ja als der einzige Ausweg aus dieser grauenhaften Leere.
    Ferras Vansen hatte keine Antwort, aber wenigstens konnte er sich Fragen stellen, die ihn davor bewahrten, dem Wahnsinn zu verfallen.
     
    Es war, als ob er nur geblinzelt hätte, in dem Moment aber, da er die Augen geschlossen hatte, ein ganzes Jahr vergangen wäre. Als er wieder etwas wahrnahm, war alles anders.
     
    Der Abgrund war verschwunden, die unendliche, ewige Schwärze irgendwie zu einem realeren Dunkel verblasst, dem Dunkel ganz normalen Schattens. Noch immer lag unter seinen Füßen etwas, das sich wie Stein anfühlte, aber es war flach, nicht gekrümmt, und er hatte das deutliche Gefühl, von etwas anderem umgeben zu sein als dem grässlich vertrauten Nichts.
    Er blieb stehen, überrascht und erschrocken — nach so langer Zeit war jede Veränderung beängstigend. Er fiel auf die Knie, roch an dem kalten Stein, presste die Stirn darauf: Er fühlte sich real an. Und, was noch viel wichtiger war, er fühlte sich
anders
an.
    Vansen stand wieder auf, und zu seiner großen Verwunderung wich die Dunkelheit zurück, oder vielmehr kam das Licht und verdrängte sie: Helligkeit strömte heran, das Licht ganz normaler Fackeln, und plötzlich konnte er die Wände um sich herum sehen, Steinwände, mit kunstvollen Reliefs geschmückt. Sein Blick folgte den Wänden zur Decke und entdeckte zu seinem Entsetzen ein riesiges schwarzes Etwas, das drohend auf ihn herabstarrte. Aber es war nur eine Statue, ein riesiges Bildnis des Kernios, und obwohl Vansen erschrak, als er den Blick wieder senkte und die gleiche Statue von unter seinen Füßen zu ihm heraufstarrte, begriff er gleich darauf, dass er auf einer Art steinernem Spiegel stand, der die kunstvoll gestaltete Decke über ihm ebenso widerspiegelte wie die Figur des großen Kernios, die von deren Scheitelpunkt herab- oder eben heraufblickte.
    Von dem Hin und Her zwischen oben und unten wurde ihm schwindlig. Vansen fiel beinah hin, fing sich aber. Wo war er? War das irgendein Ort tief in der Erde, unter der Mine des Halbgottes? Er war durch das offene Tor des Gottes gefallen — war das hier Kernios' innerstes Heiligtum? Aber es wirkte irgendwie zu ... gewöhnlich. Die Reliefs waren wunderschön, und die Statue des Gottes war ehrfurchtgebietend, aber anderweltlich wirkte das alles nicht.
    Er fiel abermals beinah hin und zwang sich, ruhig zu atmen. Er war unglaublich erschöpft. Er war am Leben. Das eine bewies das andere, und der handfeste Raum um ihn herum war ein weiterer Beweis, dass er überlebt hatte, wo immer er jetzt sein mochte. Ihm gegenüber befand sich eine schwere Tür. Er ging hin, um festzustellen, ob sie sich öffnen ließ. Obwohl die Tür so massiv wirkte, schwang sie bei der ersten Berührung auf.
    Der
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