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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
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Schatten verschwunden war und der spinnenähnliche Halbgott sich stöhnend das Gesicht rieb. Als Kituyik die Arme hob, war dort, wo das Auge gesessen hatte, nur noch ein golden sprudelnder Krater.
    Blind ...! Er ist blind!
Barrick wusste, er hatte nur eine Chance: Während das Monster noch schrie und zornig mit den Versehrten Armen wedelte, zog Barrick den Kopf ein, rannte stolpernd direkt auf den Halbgott zu, schlug dann einen Bogen und warf sich nur wenige Fingerbreit unter den zugreifenden Krallen einer wagenradgroßen, goldtriefenden Hand hindurch.
    Der Riese spürte, dass ihm die Beute entwischt war, und stieß ein röchelndes, unartikuliertes Gebrüll aus, das die umliegenden Berge erschütterte und Steinbrocken die Hänge hinabpoltern ließ. Barrick sah gar nicht hin, rannte nur keuchend immer weiter, so schnell es seine erschöpften Muskeln zuließen. Das Zorngebrüll des Gottes hinter ihm wurde immer leiser, bis es nur noch ein fernes Donnergrollen war.
     
    Endlich war er weit genug gekommen, um sich sicher zu fühlen. Er ließ sich auf Hände und Knie sinken und rang nach Atem. Ein schwarzer Schatten fiel aus der Luft, streifte ihn bei der Landung mit breiten Schwingen, tat dann ein paar Hüpfer und sprang auf einen Stein, um Barrick mit einem glänzenden Auge zu mustern. Barrick hätte es nie für möglich gehalten, dass er sich einmal so freuen würde, diese abstoßende Kreatur zu sehen.
    »Skurn — bist du das?«
    »Wo ist mein andrer Herr und Gebieter?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis Barrick die Frage des Vogels verstand. »Vansen. Er ... er ist abgestürzt. Drunten in der Mine. Er kommt nicht mehr.«
    Der Rabe beäugte ihn. »Hat Euch gerettet, unsereins. Hat dem Großen da das Aug grad ausgehackt. War das Kettenjack?« Barrick nickte, zu erschöpft zum Sprechen.
    »Dann ist unsereins der mächtigste Rabe aller Zeiten, was?« Der Vogel schien das auf sich wirken zu lassen, während er leise glucksend auf dem Stein hin und her stolzierte.
    »Skurn der Mächtige. Hat einem Gott das Aug ausgehackt.«
    »Halbgott.« Barrick drehte sich auf den Rücken. Hoffentlich war er jetzt weit genug weg, denn er würde keinen einzigen Schritt mehr tun können.
    Skurn reckte den Kopf. Seine Kehle pumpte, schlang. »Mmmmmm«, machte er. »Gottesaug. Feins Geschlürf. Wollte, ich hätt es ganz erwischt.«
    Barrick starrte den Vogel an und begann dann zu lachen, ein raues, schmerzhaftes Wiehern, das nicht aufhören wollte, bis er keine Luft mehr bekam.
    Als er wieder zu Atem gekommen war und sich aufgesetzt hatte, kam ihm ein Gedanke. »Sag, du scheußliches Geschöpf, weißt du, wo Qul-na-Qar liegt? Das Haus des Volkes?«
    Der Rabe beäugte ihn. »Was springt da für mich heraus? Ist ja nicht so, dass Ihr mich gerettet hättet, so wie mein Herr und Gebieter — nein, ich hab
Euch
gerettet, so ist's.« Er plusterte sich. »Jawohl. Skurn der Mächtige.«
    »Wenn du mir hilfst, diesen ... wenn du mir hilfst, nach Qul-na-Qar zu gelangen, dann werde ich dafür sorgen, dass du in deinem ganzen Leben dein Essen nie mehr selbst jagen musst. Ich werde dir persönlich Frischgetötes auf einem Silberteller servieren, jeden Tag.«
    »Wahrhaftig?« Der Rabe hüpfte ein paarmal flatternd auf der Stelle und beruhigte sich dann wieder. »Nun gut, abgemacht. Wenn man Euch trauen kann.«
    Obwohl er sich fühlte wie eine auf dem Feld vergessene Vogelscheuche, brachte Barrick es fertig, ein wenig verletzten Stolz aufzubringen. »Ich bin ein Prinz — der Sohn eines Königs.«
    Skurn gab ein schnaubendes Geräusch von sich. »O ja,
das
ändert natürlich alles.« Seine dunklen Augen blinzelten nachdenklich. »Aber Ihr wart der Freund meines Herrn. Gut — wir sind Handelspartner.«
    »Handelspartner. Bei den Göttern, wer hätte das gedacht?« Barrick kroch in die Büsche und achtete gar nicht weiter darauf, wo er sein Haupt hinbettete. »Weck mich, wenn mich jemand umbringen will, ja?«
    Er wartete die Antwort des Raben nicht mehr ab, denn der Schlaf hatte ihn schon gepackt und zog ihn in ein Dunkel hinab, das tiefer war als jeder Minenschacht.

    Vansen ging immer weiter, denn er konnte nichts tun, als einen Fuß vor den anderen zu setzen, der endlosen Brücke über schwarzes Nichts zu folgen. Manchmal blieb er stehen, um sich auszuruhen, aber nicht zu lange, weil er jedes Mal Angst hatte, sich versehentlich umzudrehen, die beiden ununterscheidbaren Richtungen zu verwechseln und dorthin zurückzutrotten, wo er hergekommen
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