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Das Spektrum der Toten

Das Spektrum der Toten

Titel: Das Spektrum der Toten
Autoren: Hans Pfeiffer
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blickt nach links, sie blickt nach rechts, schließlich glaubt sie, der Augenblick sei gekommen, um gefahrlos über die Straße zu gelangen.
    Sie hatte sich verrechnet. Ihre Schritte waren zu langsam. Als sie die Straßenmitte erreicht hatte, näherten sich von links Autos in voller Fahrt. Sie blieb stehen, um sie vorbeifahren zu lassen. Dann fiel ihr ein, das sei doch zu gefährlich. Es wäre sicher besser, wieder auf den Fußweg zurückzukehren - rückwärts, um den Verkehr im Auge zu behalten. Sie war nur wenige Schritte zurückgewichen, als sie einen Wagen sah, der direkt auf sie zusteuerte. Doch der Fahrer hatte die verunsicherte Fußgängerin bemerkt. Es gelang ihm noch rechtzeitig, auszuweichen und hinter dem Rücken der Frau vorbeizufahren.
    Frau Menzel stürzte nieder. Ein Polizist hatte zufällig den
    Vorgang beobachtet. Er eilte zu der Verunglückten, half ihr wieder auf die Beine und führte sie auf den Fußweg.
    »Sind Sie verletzt?« fragte er.
    »Nein, nein, ich bin nicht verletzt. Das Auto hat mich nicht einmal gestreift. Ich bin einfach hingefallen, vor Schreck.«
    Besorgt fragte der Polizist, ob er sie heimbegleiten solle. Er erhielt keine Antwort mehr. Frau Menzel sank zu Boden. Ein sofort herbeigerufener Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen.
    Die Kriminalpolizei konnte nicht ausschließen, dass trotz der Aussage der Frau, sie sei von dem Wagen gar nicht berührt worden, ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht vorlag. Eine Obduktion sollte die Todesursache klären. Und die Obduktion klärte den fragwürdigen Tod von Frau Menzel auch eindeutig auf.
    Die etwas fettleibige Frau wies keine äußeren und inneren Verletzungen auf. Man stellte u. a. geringfügigen senilen Gehirnschwund fest, die basalen Hirnarterien waren stark verkalkt, das Herz war beträchtlich vergrößert, man fand eine Verengung der Herzkranzgefäße und Stauungen in Leber, Magen, Milz und Nieren.
    »In diesem Fall«, so berichtete W. Boltz vom Wiener Institut für gerichtliche Medizin, »vereinen sich Vorgeschichte und anatomischer Befund so weit, dass die Kausalität zwischen dem schreckerregenden Ereignis, das auch objektiv als erheblich gelten darf, und dem eingetretenen Tod bei der engen zeitlichen Bindung hinreichend erwiesen ist. Die Frau litt offenbar an einem dekompensierten Hochdruck… so dass der Kreislauf die schlagartig einsetzende Funktionsbelastung nicht überwinden konnte.«

    Über einen ähnlichen, allerdings älteren Fall berichtet ein Krakauer Rechtsmediziner.
    Während der Hungerunruhen 1918 bedrohten und verfolgten einige Jugendliche einen jüdischen Händler. Der Mann flüchtete sich in ein Hotel, wo er tot zusammenbrach. Sein Tod wurde als Totschlag gewertet und - so heißt es in dem Bericht - der Verstorbene für ein Opfer des Rowdytums erklärt.
    Die Obduktion ergab keinerlei Verletzungen. Der Obduzent stellte eine Schädigung des Herzens fest, Herzvergrößerung und Herzklappenfehler. Zusammenfassend erklärte er: »Der Tod wird somit auf plötzlich eingetretene Herzlähmung bezogen, die einerseits durch chronische Herzveränderung, andererseits durch die psychische, dem Tod kurz vorangegangene Erregung für hervorgerufen erklärt werden konnte.«

    Todesfälle wie diese beiden hier geschilderten sind nicht nur medizinisch, sondern unter Umständen auch juristisch bedeutsam. Der Rechtsmediziner muss dann, wenn Verdacht auf einen schuldhaften Vorfall besteht, sich als Gutachter äußern. Wie kompliziert das manchmal ist, zeigt ein weiterer Fall, den die Psychiater Richtberg, Täschner und Bochnik schilderten.
    Ein 38jähriger Mann, wegen Autodiebstahls bereits verurteilt, hatte Diebstähle und im Zusammenhang mit diesem Fall eine weitere Straftat begangen. Er hatte vor seinem Haus einen gestohlenen Wagen geparkt. Er trat aus dem Haus, öffnete die Autotür, stieg ein und schwenkte rückwärts aus der Parklücke auf die Straße hinaus.
    Dann legte er den Vorwärtsgang ein und wollte gerade losfahren, als ihn ein Mann mit vorgehaltener Pistole zum Halten aufforderte. Der Autodieb vermutete - wie sich später herausstellte, zu Recht -, dass der Mann ein Zivilfahnder war, der ihm auf die Spur gekommen war und ihn festnehmen wollte. Statt anzuhalten drückte er aufs Gaspedal und fuhr direkt auf den Polizisten zu. Dieser sprang noch rechtzeitig zur Seite, nahm über Funk Kontakt mit seinen Kollegen auf und verfolgte den Autodieb. Bald jagten mehrere Einsatzwagen dem Flüchtigen mitten durch Frankfurt und
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