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Das Spektrum der Toten

Das Spektrum der Toten

Titel: Das Spektrum der Toten
Autoren: Hans Pfeiffer
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Offenbach hinterher, bis er gestellt werden konnte. Er wehrte sich wild gegen seine Festnahme.
    Der Mann wurde u. a. wegen versuchten Totschlags und der im Verlauf der Flucht und Verfolgung begangenen Taten angeklagt. Der Angeklagte verteidigte sich damit, der plötzlich auftauchende Polizist und die auf ihn gerichtete Pistole hätten ihn so sehr erschreckt, dass er rein instinktiv glaubte, sich nur durch Flucht retten zu können.
    Das Gericht beauftragte die genannten Psychiater zu entscheiden, »ob der Angeklagte durch die plötzlich erlebte Bedrohung und den dadurch hervorgerufenen Schreck in einen psychischen Zustand geraten sei, der einen teilweisen oder völligen Verlust seines Einsichts- oder Hemmungsvermögens bewirkt und seine Schuldfähigkeit… eingeschränkt oder aufgehoben haben könnte«.
    Die Gutachter untersuchten den Mann eingehend psychologisch und psychiatrisch. Er war körperlich und geistig gesund und überdurchschnittlich intelligent. Es zeigten sich keine psychisch gravierenden Auffälligkeiten. Im Gutachten war also die Frage zu beantworten, ob ein plötzlicher Schreck eine bewusste Willenshandlung verhindern kann.
    Schreck, so die Gutachter, ist an Überraschung gebunden, die viele Erscheinungsformen hat, von einfacher Sinneswahrnehmung wie Knall, Blitz, Hitzeberührung bis zur Katastrophensituation wie Erdbeben, Eisenbahnunglück, Massenpanik, Brände. Schreck wirkt sich unmittelbar körperlich aus. »Im Regelfall löst der Schreck eine kurzzeitige Initialstarre und eine Reizung vegetativer und zentralnervöser Funktionen aus, die im ersten darauffolgenden Moment zu Erregungszuständen mit blinden Bewegungsstürmen sowie zu panikartigem Flucht-, Verteidigungs- oder Angriffsverhalten führen können.« Doch kurz nach dieser willensmäßig nicht beeinflussbaren Reaktion normalisieren sich Wahrnehmung und Handeln wieder so weit, dass der Mensch umsichtig und planvoll handeln könne. Doch könne der durch Schreck verursachte psychosomatische Zustand bei labilen Personen noch längere Zeit andauern.

    So könne Schreck also für einen möglicherweise nur sekundenkurzen Zeitraum tiefgreifende Bewusstseinsstörungen hervorrufen und damit die Schuldfähigkeit eines Menschen vermindern oder aufheben. Der Schreck löse kurzzeitig biologischvitale, zentralnervöse und vegetative Funktionsstörungen sowie primitive Handlungsmuster der Flucht oder Verteidigung aus und führe damit zu persönlichkeitsfremden Primitivreaktionen.
    Die Gutachter hielten deshalb den Autodieb für schuldunfähig. Sie waren der Meinung, man könne sein Verhalten juristisch nicht als Totschlagsversuch werten, denn Schreckreaktionen liefen nicht vorsätzlich ab.
    Für alle weiteren Handlungen sahen sie ihn jedoch als voll verantwortlich an, weil er die Flucht äußerst planvoll bewerkstelligt hatte.

    Ähnlich wie Schreck wirkt sich seelischer Schock aus.
    Agnes Neumeister, eine 19jährige Kontoristin, wohnte noch bei ihren Eltern. Trotz der engen Wohnung besaß Agnes ein eigenes kleines Zimmer.
    Doch den Besuchen von Horst, dem Freund ihrer Tochter, setzten die Eltern strenge Grenzen: nur tagsüber und bei offener Zimmertür. Auch nach der Verlobung der beiden beharrten die Eltern auf diesem Gebot. Verlobt sei nicht verheiratet, sagten sie, keine sexuellen Intimitäten vor der Eheschließung! Die Liebe zwischen Agnes und Horst war jedoch stärker als die dem Mädchen eingeimpfte elterliche Moral. Sie trafen sich heimlich, manchmal in Horsts möbliertem Zimmer, wenn die Wirtin gerade abwesend war, manchmal auch in einem einsamen Waldstück.
    Agnes wurde schwanger. Aus Angst vor ihren Eltern versuchte sie ihren Zustand anfangs zu verbergen. Das wurde jedoch immer schwieriger, je weiter die Schwangerschaft fortschritt. Agnes wusste auch nicht, ob sie so plötzlich durch eine Heirat die Schwangerschaft legalisieren könnte. Selbst eine rasche Eheschließung hätte den Eltern offenbart, dass sie ihre Gebote und Warnungen missachtet und Schande über die Familie gebracht hatte.
    Agnes suchte schweren Herzens eine Frau auf, die gegen Bezahlung Abtreibungen vornahm. Frau Quellmalz, eine 40jährige Witwe, so hatte Agnes erfahren, sollte schon vielen Frauen in einer solchen Situation geholfen und stets verlässlich und erfolgreich gearbeitet haben. Frau Quellmalz versprach auch Agnes, sie könne sich ihr unbesorgt anvertrauen.
    Zuerst versuchte Frau Quellmalz, die Abtreibung ohne einen instrumentellen Eingriff vorzunehmen. Als
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