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Das Spektrum der Toten

Das Spektrum der Toten

Titel: Das Spektrum der Toten
Autoren: Hans Pfeiffer
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Kriminaloberkommissar Fuchs meinte jedoch, dieses Verfahren werde zwar auch in Deutschland häufiger eingesetzt, als allgemein bekannt sei. Es fehlten hier aber spektakuläre, wissenschaftlich überzeugende Erfolge.

Psychogener Tod

    Ich arbeitete gerade an diesem Kapitel, als ich am 27.02.98 in der »Leipziger Volkszeitung« die folgende Nachricht las: »Die Kriminalpolizei steht vor einem Rätsel. Die Identität des Mannes, der am 24.01. an der Kreuzung B 2/S 71 bei Zwenkau tot in einem Skoda aufgefunden wurde, ist noch immer nicht geklärt. Er war laut Polizei eines natürlichen Todes gestorben.« Es folgte eine Personenbeschreibung. Die Mitteilung endete: »Den Wagen hatte er Mitte Dezember einer Frau vor dem Leipziger Hauptbahnhof entrissen.«
    Dieser Bericht machte mich hellhörig. Ein etwa 40- bis 45jähriger Autoräuber stirbt in dem entwendeten Wagen eines natürlichen Todes, möglicherweise an Herz-Kreislauf-Versagen. Dieser Fall illustrierte sozusagen das wissenschaftliche Material, mit dem ich mich gerade beschäftigte - Untersuchungen über den sogenannten psychogenen Tod. Der Autoräuber aus Leipzig hatte einen natürlichen Tod erlitten. Was aber hatte seinen Tod bewirkt? Ich erinnerte mich an einen Bericht aus dem Institut für gerichtliche und soziale Medizin der FU Berlin. S. Carnier schilderte darin vier Fälle, »bei denen der Tod offenkundig vor der beabsichtigten Selbsttötung eingetreten war«.
    Und das sind die vier Fälle.
    Bei dem ersten Fall, so Carnier, wurde ein 72jähriger Mann, vollkommen abgedeckt, tot im Bett aufgefunden. Er hatte eine Schusswunde hinter dem linken Ohr. Seine Hände waren blutbeschmiert. Auf dem Fußboden lag eine Pistole vom Kaliber 6,25. Die Blutabrinnspuren am Hals deuteten darauf hin, dass der Mann sich die Schusswunde im Stehen zugefügt hatte.
    Die Kripo nahm Selbstmord an, da der Mann wegen
    unerträglicher Herzschmerzen angekündigt hatte, er werde sich erschießen. Es wurde eine Obduktion angeordnet. Bei der äußeren Betrachtung zeigte sich, dass das Geschoss unmittelbar unter der Haut lag und Schädel, Hirnhäute und Gehirn unverletzt waren. Es war unwahrscheinlich, dass die Schussverletzung den Tod verursacht hatte. Die Leichenöffnung ergab eine beträchtliche Schädigung des Herzens: eine schwere Arteriosklerose der Aorta und abnorme Bindegewebsvermehrung des Herzbeutels. Diese Erkrankung hatte zum tödlichen Herz-Kreislauf-Versagen geführt.

    Im zweiten Fall wurde eine 82jährige Frau tot auf dem Fußboden aufgefunden. Neben der Leiche stand eine Schüssel mit Erbrochenem, Blut und einer Rasierklinge. Oberflächliche Schnittwunden an beiden Handgelenken wiesen auf einen Selbstmord-Versuch hin. Der Blutverlust war völlig unwesentlich. Die Obduktion ergab eine schwere Koronarsklerose.
    Im dritten Fall hatte sich eine 53jährige Frau zu erhängen versucht. Dazu hatte sie am Fensterkreuz eine Wäscheleine befestigt. Aber noch bevor sie den Kopf in die Schlinge steckte, sank sie tot zu Boden. Das Seil hing mit offener Schlinge herab, es war nachweislich nicht zur beabsichtigten Selbsttötung benutzt worden.
    Ähnlich war der vierte Fall beschaffen. Ein 59jähriger Mann wurde tot in der Küche zwischen Schrank und Fenster am Boden aufgefunden. Und er hatte mit einer Schnur am Fensterriegel den Erhängungstod vorbereitet und war, bevor es dazu kam, vom Tod überrascht worden.
    In den ersten zwei Fällen, so heißt es weiter im Bericht, waren Abschiedsbriefe vorhanden. »In beiden Fällen hatte der herbeigerufene Arzt Tod durch Erhängen bescheinigt, weil er offensichtlich angenommen hatte, dass die Leichen von der Schlinge abgenommen worden waren.«
    Die Obduktion im dritten Fall erbrachte zahlreiche Metastasen eines Brustkarzinoms in Lunge, Leber, Lymphknoten und im Großhirn. Umfangreiche Ergüsse in den Brusthöhlen und im Herzbeutel bestätigten Kreislaufschwäche.
    Im vierten Fall wurden Blutstauungen als schwere Schädigung festgestellt.
    Weitere kriminologische und gerichtsmedizinische Untersuchungen ergaben für alle vier Fälle: kein Fremdverschulden, kein Zweifel an der Selbstmordabsicht, keine anderen als die schon festgestellten Todesursachen Herztod - und im dritten Fall völliger körperlicher Verfall infolge der Tumore.
    Der Berichterstatter fasste abschließend zusammen, dass in allen vier Fällen der Tod während des Selbstmordversuchs bzw. in der Vorbereitung zum Selbstmord eingetreten war.
    Diese vier Menschen wollten also Selbstmord
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