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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript
Autoren: Arno Strobel
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Nase gesetzt hatte, war er doch mit 38 nur vier Jahre jünger und hatte selbst Erfahrung genug, um diesen Fa…
    »Also, Herr Erdmann, wie sieht es aus?«, unterbrach sie seine Gedanken und sah ihn offen an.
    Er legte den Kopf ein wenig schräg und schürzte die Lippen, so, als hätte sie einen Vorschlag gemacht, über den er erst nachdenken musste. Schließlich nickte er. »Gut, konzentrieren wir uns auf den Fall.« Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Straße frei war, fuhr er los. Er fühlte sich ganz gut.
    Recht gegeben hatte er ihr nicht.

I
    Tage zuvor
    Als sie zu sich kam, stand ihr Rücken in Flammen. Als hätte sie mit dem Öffnen der Augen einen wahnsinnigen Mechanismus in Gang gesetzt, trug ihr Puls augenblicklich die unerträglichen Schmerzen von der Stelle unterhalb ihrer linken Schulter in bizarrem Rhythmus über ihren Rücken und jagte den Schmerz von dort mit unglaublicher Brutalität durch ihren gesamten Körper.
    Sie lag auf dem Bauch, auf einer schmalen Unterlage, so schmal, dass die Arme links und rechts herabhingen. Irgendwo unter ihr waren sie gefesselt. Auch die Beine konnte sie kaum bewegen, etwas um ihre Fußgelenke hielt sie fest.
    Sie wusste nicht, seit wann sie so dalag, sie hatte auch keine Vorstellung davon, wie oft sich ihr Bewusstsein in die gnädige Schwärze zurückgezogen hatte, um dann wiederzukehren in diese Welt aus Schmerz und Kälte. Und wahnsinnig machender Angst.
    Zeit war zu einem bedeutungslosen Begriff geworden. Sie wollte schreien, nein, sie
musste
schreien, doch aus ihrem Mund rieselte nur ein Krächzen wie ein welkes Blatt, das zwischen ihren aufgeplatzten Lippen zerbröselt war. Erneut wurde sie überrannt von dieser Panik, die so grauenvoll war, dass sie keinem gesunden Verstand entsprungen sein konnte. Ihre Kehle schnürte sich zu, das Atmen fiel ihr immer schwerer, wurde fast unmöglich … Ächzend riss sie den Kopf nach oben, so weit es ging, ihr ganzer Körper bäumte sich zuckend auf in einer Mischung aus panischer Gier nach Sauerstoff und einer Explosion der Schmerzen. Bis eine Stimme aus einem letzten, geschützten Bereich ihres Bewusstseins ihr sagte, dass sie sich beruhigen musste, weil es die Angst war, die ihr die Luft abdrückte. Sie verharrte, spürte, dass ihr das Atmen wieder etwas leichter fiel, und ließ dann den Kopf sinken, langsam, weil die Bewegung höllisch weh tat.
    Als ihre Wange wieder auf dem harten Untergrund lag, starrte sie leise wimmernd in die Dunkelheit. Sie war nicht mehr fähig, in Worten zu denken, und so produzierte ihr Verstand Bilder ihrer Mutter. Ihrer Mama. Aus dem Wimmern wurde Weinen, vor Verzweiflung, vor Schmerz.
    Das knarzende Geräusch der Tür ließ sie augenblicklich verstummen. Sie erstarrte, den Blick auf die brüchige Backsteinwand neben sich gerichtet, die von dem schwachen Lichtschein aus der Dunkelheit geschält wurde und ihr gesamtes Gesichtsfeld einnahm. Sie lauschte panisch, suchte hinter sich, in den Bereich ihres Gefängnisses hinein, den sie nicht sehen konnte, nach dem Geräusch von Schritten, und hörte nur den schneller werdenden Rhythmus ihres eigenen Atems. Sie hielt die Luft an und spürte ihren Herzschlag von innen gegen das Trommelfell hämmern. Sie klammerte sich an die irrwitzige Hoffnung, dass dieses Monster nur nach ihr sehen wollte. Ihr nicht mehr weh tun wollte. Keine Schmerzen mehr, nur keine neuen Schmerzen mehr. Wo war ihre Mutter hin? Gerade war sie doch noch da gewesen, sie –
    Das Schnaufen. Da war es wieder, über ihr.

4
    Für die Fahrt zum Präsidium am Bruno-Georges-Platz brauchten sie knappe zwanzig Minuten, die sie größtenteils schweigend zurücklegten. Erdmann stellte den Wagen auf dem Parkplatz neben dem Haupteingang ab, bog den Rückspiegel so, dass er sich darin sehen konnte, kontrollierte mit schnellem Blick die kurzen schwarzen Haare und bleckte die Zähne. Er hasste es, auch nur den kleinsten Krümel zwischen den Zähnen hängen zu haben, und kontrollierte das mehrmals täglich. Dann stieg er aus und gab Matthiessen den Schlüssel, schließlich hatte sie für den Golf unterschrieben.
    Stohrmann saß mit dem Polizeiführer vom Dienst, Hauptkommissar Dietmar Thevis, an dem großen Tisch im Einsatzraum der BAO Heike, als sie hereinkamen. Die beiden Männer sahen von mehreren Fotos auf, die sie zwischen sich auf dem Tisch ausgebreitet hatten. Neben dem schlanken, durchtrainierten Thevis wirkte der Leiter der BAO eher wie ein behäbiger Verwaltungsbeamter: Georg
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