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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript
Autoren: Arno Strobel
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aufgestanden, weil ich eh die ganze Nacht nicht schlafen konnte.«
    »Wegen der Party heute?«
    »Wegen Einsamkeit, du innig geliebtes Wesen.«
    Sie grinste. »Komm, du bist doch ganz froh, wenn du ab und zu im Bett fernsehen und Chips futtern kannst, gib’s zu.«
    »Niemals. Aber sag mal, wolltest du nicht heute mit deiner seltsamen Freundin Kerstin Hamburgs Schuhgeschäfte leer kaufen?« Dirk und Kerstin mochten sich nicht sehr. Er fand sie schnippisch, sie hielt ihn für einen Angeber, der mit dem Geld seines Vaters protzte, was er wiederum als Neid auslegte. Nina hing immer dazwischen und hatte sich angewöhnt, auf die beiderseitigen Kommentare nicht mehr einzugehen, vor allem, weil sie wusste, dass diese Dinge nur vorgeschoben waren. Der wahre Grund für die gegenseitige Antipathie war die kurze Beziehung, die die beiden etwa zwei Jahre zuvor gehabt hatten und die nach einigen Wochen mit großem Geschrei beendet gewesen war.
    »Doch, sie holt mi…« Die Türklingel unterbrach sie. Es gab nur einen, der um diese Uhrzeit bei ihr klingelte. »Wart mal kurz – bestimmt der Briefträger.« Nina schwang die Beine von der Couch und ging zur Tür, doch statt des fast immer freundlich lächelnden Dietmar Fuchs stand ein junger Mann in braunem Hemd und brauner Cargohose vor ihr und hielt ihr mit teilnahmsloser Miene ein Päckchen entgegen. Auf seiner Hemdtasche war das Logo von UPS aufgenäht. Dass Nina barfuß in ihrem blau-weiß gestreiften Nachthemd vor ihm stand, schien ihn nicht sonderlich zu überraschen.
    »Morgen. Eine Sendung für Sie«, sagte er, ohne dass sich sein Gesichtsausdruck dabei veränderte. Nina legte das Telefon neben sich auf den Boden und nahm ihm das Päckchen aus der Hand. Es hatte etwa die Maße einer Buchsendung und war dick mit braunem Paketband umwickelt. Der Absender auf einem Aufkleber in der linken oberen Ecke war allerdings ein privater:
    Peter Dorscher
    Selburgring 17
    22111 Hamburg
    Weder der Name noch die Adresse sagten ihr etwas. Sie klemmte sich das Päckchen zwischen die Knie, nahm den Plastikstift, der seitlich an dem Gerät baumelte, das der UPS -Mann ihr nun entgegenhielt, und krakelte ihre Unterschrift, so gut es ging, auf das Display.
    Auf dem Weg zum Wohnzimmer hatte sie den Hörer wieder am Ohr. »So, da bin ich wieder.« Sie legte das Päckchen auf dem Couchtisch ab und ging zur Balkontür. »War der Paketdienst, ist wahrscheinlich ein Buch, das ich online erstei…«
    »Du sollst deine Zeit nicht mit Lesen vertrödeln, sondern mit mir verbringen«, fiel Dirk ihr nörgelnd ins Wort.
    »Alles zu seiner Zeit, Süßer, du kommst bestimmt nicht zu kurz. Jetzt mache ich mich jedenfalls mal fertig, sonst stehe ich immer noch im Nachthemd hier, wenn Kerstin gleich klingelt.«
    »Soll das etwa heißen, du hast dem Kerl gerade im Nachthemd die Tür geöffnet? Hast du denn überhaupt kein Schamgefühl, Weib?«
    »Du Spinner«, antwortete sie lachend. »Ich leg jetzt auf. Tschüss bis nachher.«
    »Na gut, bis später, aber dass mir das nicht noch mal vorkommt, sonst muss ich darauf bestehen, dass du bei mir einziehst, damit ich jeden deiner Schritte kontrollieren kann.« Nina schüttelte den Kopf und beendete das Gespräch.
    Es war ein Scherz, aber Dirk hatte sie wenige Wochen zuvor schon einmal gefragt, ob sie sich vorstellen könne, zu ihm zu ziehen. Platz genug war vorhanden, sein Vater hatte ihm zum Studienbeginn eine geräumige und bestimmt sündhaft teure Maisonette-Wohnung in der Hochallee in Harvestehude gekauft, unweit des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, wo Dirk Medizin studierte. Schäfer senior war Inhaber einer Firma, die Kunststoffteile für die Automobilindustrie herstellte, und das Thema Geld schien in Dirks Familie eine eher untergeordnete Rolle zu spielen.
    Sie liebte ihn, und im Grunde wünschte sie sich nichts mehr, als mit ihm zusammenzuleben, aber nach gerade mal einem halben Jahr war es ihr einfach noch zu früh, ihre eigene Wohnung und damit auch die Rückzugsmöglichkeit für alle Fälle aufzugeben. Vielleicht, dachte sie, wenn er in ein paar Monaten noch mal fragt …
    Nina ging ins Bad, drückte einen Klecks Zahnpasta auf den runden Kopf der elektrischen Zahnbürste und betrachtete sich im Spiegel, während die kleinen, rotierenden Borsten in ihrem Mund ihre Arbeit taten. Die hellblonden Haare fielen ihr noch etwas zerzaust bis auf den Rücken. In Verbindung mit ihren blauen Augen und dem Schimmer aus Sommersprossen, der Nase und Wangen
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