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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript
Autoren: Arno Strobel
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aus dem Gesicht strich und die langen Haare wieder zu einem Pferdeschwanz band, bevor er antwortete.
    »Der PvD hat versucht, Sie zu erreichen, und weil Sie nicht ans Telefon gegangen sind, hat er mich angerufen. Ich habe ihm gesagt, überhaupt kein Problem,
ich
bin selbstverständlich immer dienstbereit.« Er machte eine kurze Pause, in der er den fassungslosen Ausdruck auf ihrem Gesicht genoss. »Ihr Wagen steht vor der Tür, und als Sie nicht aufgemacht haben, dachte ich, ich schau mal im Garten nach. Und siehe da, ich finde Sie auf Knien.«
    Auf Matthiessens Stirn zeigten sich deutliche Falten, und für einen kurzen Moment sah es so aus, als wolle sie auf ihn losgehen, doch dann stockte sie und fasste sich mit einer hastigen Bewegung hinten an den Gürtel ihrer Jeans, wo in einer kleinen Ledertasche ihr Mobiltelefon steckte. Sie zog es heraus und drückte nach einem Blick auf das Display ein paarmal auf eine Taste, ehe sie es mit einem resignierten Seufzer sinken ließ. Ihrem Gesicht war das schlechte Gewissen deutlich anzusehen. »Leer.«
    Er hatte Matthiessen zwar schon öfter gesehen und hier und da auch schon mal flüchtig gegrüßt, aber erst seit drei Tagen arbeitete Erdmann mit ihr in der Besonderen Aufbauorganisation Heike, kurz BAO Heike, zusammen, die nach dem Verschwinden von Heike Kleenkamp gebildet worden war. Die 21 -jährige Tochter des Herausgebers der
Hamburger Allgemeinen Tageszeitung
war am Dienstagabend nach einem Kneipenbesuch nicht nach Hause gekommen. Am Mittwochvormittag hatte Dieter Kleenkamp seinen Freund, den Hamburger Polizeipräsidenten, angerufen, der vorsorglich den Leiter des LKA 4 , Kriminalrat Jan Eckes, davon in Kenntnis setzte, auch wenn man zu einem so frühen Zeitpunkt noch keinen direkten Handlungsbedarf sah, solange es keine Hinweise auf eine Straftat gab. In den allermeisten Fällen tauchten gerade junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 nach einem Tag wieder gutgelaunt auf, nachdem sie bei Freunden übernachtet oder eine lange Party gefeiert hatten, und wunderten sich über die Panik, die in ihrem Umfeld ausgebrochen war. In diesem Fall gab es jedoch eine Freundin, die Heike auf dem Nachhauseweg begleitet und sich erst ein paar hundert Meter vor dem Haus der Familie Kleenkamp von ihr verabschiedet hatte. Sie hatte Heikes Vater erzählt, seine Tochter sei sehr müde gewesen und habe gleich ins Bett gewollt. Dass es sich bei der verschwundenen jungen Frau um die Tochter des Herausgebers der zweitgrößten Hamburger Tageszeitung und persönlichen Freundes von Polizeipräsident Reimann handelte, gab der ganzen Sache eine zusätzliche Brisanz. Als am frühen Mittwochnachmittag dann eine Frau, die nur zweihundert Meter entfernt in der gleichen Straße wohnte, an der Haustür der Kleenkamp’schen Stadtvilla geklingelt und der Haushaltshilfe Heikes Tasche samt Portemonnaie, Führerschein und Personalausweis entgegengehalten hatte, die sie in der Hecke vor ihrem Haus gefunden hatte, wurde nur wenige Stunden später die BAO Heike unter der Leitung des Ersten Kriminalhauptkommissars Georg Stohrmann gegründet, der neben sechs weiteren Beamten auch Hauptkommissarin Andrea Matthiessen als Stohrmanns Stellvertreterin und er, Stephan Erdmann, angehörten.
    Das war nun drei Tage her, lange genug, ihn zu der Überzeugung kommen zu lassen, dass Andrea Matthiessen die wohl pedantischste Polizistin war, die ihm je begegnet war. Sie war humorlos, trank offenbar niemals Alkohol, und wenn sie ihre Nase nicht in Dienstvorschriften steckte oder ihren männlichen Kollegen sagte, wie sie sich zu benehmen hatten, rannte sie im Wald herum oder aß irgendwelches gesundes Zeug. Sie ging ihm auf die Nerven, zumal sie ranghöher war als er und ihn das deutlich spüren ließ.
    Dass der Polizeiführer vom Dienst sie nicht erreichen konnte, weil die perfekte Frau Hauptkommissarin vergessen hatte, ihr Handy aufzuladen, gefiel ihm beinahe.
    »Das ist mir ja noch nie passiert. Peinlich. Worum geht’s? Heike Kleenkamp?«
    »Ja. Wir sollen reinkommen. Stohrmann ist auch schon da. Der PvD sagte, es ist was Merkwürdiges aufgetaucht, offenbar ein Hinweis. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Ich bin in zwei Minuten fertig, ich ziehe mir nur schnell was anderes an.« Sie ließ ihn stehen und verschwand durch die Terrassentür im Haus.
    Erdmann versuchte, von seinem Platz aus einen Blick durch das große Fenster ins Innere zu erhaschen. Er hätte zu gerne gesehen, wie diese Frau wohnte, aber die Sonne spiegelte sich
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