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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript
Autoren: Arno Strobel
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dem Rauschen zu, mit dem das Blut durch ihre Adern schoss. Sie weinte.
    Wie war sie nur hierhin gekommen? Hatte man sie für tot gehalten? Warum? War sie scheintot gewesen? Wann? Sie hatte darüber gelesen, dass immer wieder Gräber geöffnet wurden, in denen seltsam verkrümmte Skelette lagen. Särge, deren Deckel von innen mit bloßen Fingernägeln zerkratzt worden waren. Hatte man sie etwa … lebendig begraben? Lagen über ihr mehr als eineinhalb Meter Erde? Nein, nein, das konnte doch nicht … das … Sie musste hier raus, sofort. »Nein!« Sie kreischte förmlich. » NEIN !« Sie mobilisierte all ihre Kräfte, sie drehte sich auf den Rücken, begann mit beiden Fäusten in die Schwärze hinein wie besessen gegen den Deckel über sich zu hämmern. Sie schrie so laut, dass sie das Gefühl hatte, ihre Lungen müssten platzen. Es war ihr egal, nur raus, nur raus, weiter hämmern, schreien, schreien. Plötzlich kippte sie zur Seite weg, sie …
     
    Sie öffnete die Augen und kniff sie sofort wieder zusammen. Die gleißende Helligkeit schmerzte, sie … Aber warum? Wo kam diese Helligkeit plötzlich her? Das dumpfe Gefühl der Angst hatte sie noch immer fest im Griff. Vorsichtig hob sie die Lider, ein kleines Stück nur. Die Kommode, der Schrank, das Fenster … diese Helligkeit … sie war so wundervoll. Aber wie war das möglich? Gerade noch … der Sarg … begraben … ein Traum.
    Sie hatte einen fürchterlichen Traum gehabt. Nur einen Traum.
    Eva war derart erleichtert, dass sie kurz auflachte. Sie lag in ihrem Bett, sie lag wirklich in ihrem Bett, und alles war gut. Mehr noch, alles war fantastisch. Sie kuschelte sich tief in ihre Bettdecke, zog die Knie an und drückte einen Bettzipfel gegen ihre Wange. Da lag sie nun, eine 37 jährige Frau, Chefin der Rossbach Maschinenbaubetriebe, zusammengerollt wie ein Baby in ihrem Bett, und war überglücklich, dass sie sich nicht lebendig begraben in einem Sarg befand, sondern nach einem bösen Albtraum gerade zu Hause in ihrem Bett aufgewacht war. Dass es ihr gut ging. Und es ging ihr gut. Viel besser als sonst beim Aufwachen.
    Ihr Blick fiel auf den Radiowecker. Zehn vor neun, so lange hatte sie ewig nicht mehr geschlafen. Sie würde jetzt aufstehen und sich einen Kaffee machen. Mit einem Ruck schlug sie die Bettdecke zurück und hielt im nächsten Moment inne. Ihr Arm schmerzte, und nicht nur der. Ihr ganzer Körper tat ihr weh, besonders die Hände. Wieso merkte sie das erst jetzt? War die Erleichterung gerade beim Erwachen so groß gewesen, dass sie alles andere überdeckt hatte? Aber … wo kamen diese Schmerzen her?
    Vorsichtig richtete Eva sich auf und schob die Decke ganz zurück. Dabei fuhr ihr erneut ein stechender Schmerz in Handgelenk und Ellbogen. Sie drehte den rechten Arm und sah bläulich-dunkle Flecke, die sich über die Handkante bis hin zu den Fingerknochen zogen. Sie drehte den Arm ein Stück weiter. Auch der Ellbogen zeigte ein Hämatom. Der linke Arm sah nicht besser aus. Sie sah an sich herunter und entdeckte auch an den Knien frische Blutergüsse. Die Fußgelenke schmerzten, wenn sie sie bewegte, und sogar die Zehen taten weh.
    Wie war das möglich? Wo hatte sie plötzlich diese Verletzungen her? Hatte sie die schon am Abend gehabt, als sie ins Bett gegangen war? Aber wann war sie überhaupt ins Bett gegangen? Und wie? Sie konnte sich nicht erinnern.
    Ihr wurde flau im Magen. Sie dachte an Arme, Hände, Knie und Beine, die gegen Wände schlugen. Dünn gepolsterte Wände.
    Sie dachte an den Sarg.

Über Arno Strobel
    Arno Strobel, 1962 in Saarlouis geboren, studierte Informationstechnologie und arbeitet heute bei einer großen deutschen Bank in Luxemburg. Mit dem Schreiben begann er im Alter von fast vierzig Jahren. ›Das Skript‹ ist sein dritter Psychothriller nach ›Der Trakt‹ und ›Das Wesen‹. Arno Strobel lebt mit seiner Familie in der Nähe von Trier.
     
    Weitere Informationen, auch zu E-Book-Ausgaben, finden Sie bei www.fischerverlage.de

Impressum
    Covergestaltung: HAUPTMANN & KOMPANIE Werbeagentur, Zürich
    Coverabbildung: Mark Lewis/Getty Images
    © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
     
    Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
    ISBN 978-3-10-401073-1



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