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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript
Autoren: Arno Strobel
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doch.
    Würde sie im Tod noch größere Schmerzen haben als jetzt? Konnte es noch größere Schmerzen geben? Sie begann zu wimmern und bemerkte es erst, als sie ihre Stimme hörte. Nein, ihre Mama konnte nicht kommen, sie wusste nicht, wo sie sich befand. Niemand wusste es. Niemand. Oder würde man sie vielleicht doch finden? Vielleicht … vielleicht waren ja Menschen in der Nähe? Ohne darüber nachzudenken, begann sie zu schreien. Sie legte alle Luft, die ihre Lungen hergaben, in ihre Schreie, sie spürte, wie die Schmerzen sie anfauchten, unerträglich wurden, doch sie schrie weiter. »Ich bin hieeeer! Hilfeeeee!« Dann ein anderer Gedanke: Was war, wenn das Monster sie hörte und sich daran erinnerte, dass es noch etwas an ihr zu tun gab? Abrupt brachen ihre Schreie ab, klangen in einem wimmernden Laut aus, verstummten. Sie hörte ihren Atem, kurze, laute, schnelle Stöße, die sich als glühende Pfeile von innen gegen ihren Rücken bohrten. Hoffentlich hatte das Monster sie nicht gehört, hoffentlich nicht.
    Sie schreckte hoch. Ein Geräusch –

7
    Die Buchhandlung
Die kleine Bücherecke
lag in Hoheluft-West, im Erdgeschoss eines Eckgebäudes. Der eigentliche Verkaufsraum mochte vielleicht hundert Quadratmeter haben. In einer Ecke des fast quadratischen Raumes standen drei Bistrotische mit Holzstühlen daran, auf einer Anrichte daneben ein Kaffeevollautomat und einige bunte Tassen.
    Als Erdmann hinter Matthiessen den Laden betrat, drehte sich eine junge Frau zu ihnen um. Sie stand vor einem der vielen Regale, einen Korb mit Büchern neben sich auf dem Boden. Ihr kupferrotes, kinnlanges Haar war zu einem Bob geschnitten, was ihre herzförmige Gesichtsform noch unterstrich. Sie mochte Anfang dreißig sein, und als sie nun mit einem fast schon scheuen Lächeln auf sie zukam, dachte Erdmann, dass sie für ihre Größe von vielleicht eins siebzig ein paar Kilos zu viel hatte. »Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«
    »Guten Tag, ich bin Hauptkommissarin Matthiessen, das ist mein Kollege, Oberkommissar Erdmann. Frau Miriam Hansen?«
    Das Lächeln verschwand. »Ja.« Sie sah zu Erdmann, dem dabei auffiel, von welch intensivem Grün ihre Augen waren. »Sind Sie … habe ich eben mit Ihnen gesprochen?«
    »Nein, mit einem Kollegen. Es geht um dieses Buch.« Er kramte in der Innentasche seiner Lederjacke nach seinen Notizen.
    »Nach dem Ihr Kollege gefragt hat?
Das Skript
von Christoph Jahn, das habe ich da. Ist das für Sie privat oder …«
    »Können Sie es bitte holen?«, forderte Matthiessen die junge Frau auf, bevor Erdmann etwas erwidern konnte. Traute sie ihm etwa nicht zu, selbst entscheiden zu können, was er einer Zivilperson über einen laufenden Fall sagen konnte?
    »Ja, ich … Moment, ich hole es Ihnen.« Miriam Hansen wandte sich ab und ging auf ein Regal neben den Tischen zu. »Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
    »Nein, danke«, sagte Matthiessen. »Ja, gerne«, antwortete Erdmann gleichzeitig. Die junge Frau drehte sich kurz zu ihnen um. »Also einen Kaffee?« Erdmann nickte.
    »Suchen Sie mir aber bitte das Buch heraus, bevor Sie meinem Kollegen einen Kaffee machen.« Der Blick, mit dem Matthiessen Erdmann dabei bedachte, regte ihn auf, so sehr, dass er sich stark zusammenreißen musste, sie nicht an Ort und Stelle zu fragen, was ihr eigentlich einfiel.
    »Hier ist es.« Miriam Hansen kam mit einem Taschenbuch in der Hand auf sie zu. Erdmann machte einen Schritt nach vorne und nahm es ihr aus der Hand. Das Cover war in Schwarz gehalten, in großen, grün schimmernden Chromlettern prangte der Titel über die gesamte Breite. Eine Frau schien auf dem Wort
Skript
zu liegen, den nackten Rücken dem Betrachter zugewandt. »Danke, und … den Kaffee trinke ich ein anderes Mal.« Er sah zu Matthiessen, doch der Kommentar, mit dem er gerechnet hatte, blieb aus. Stattdessen wandte sie sich wieder der Buchhändlerin zu. »Stimmt es, dass Sie ein Fan dieses Autors sind?«
    Die hellen Wangen der jungen Frau bekamen einen rosafarbenen Schimmer. »O ja, ich habe alle seine Bücher gelesen, und seit er in Hamburg wohnt, habe ich ihn auch schon ein paarmal gesehen.«
    »Auf Lesungen?«
    »Nein, leider nicht, Christoph macht keine Lesungen mehr. Er hat bisher kein neues Buch mehr herausgebracht, nachdem er mit der Arbeit an
Das Skript
fertig war. Diese Geschichte damals …«
    Christoph?
, wunderte sich Erdmann und sagte: »Welche Geschichte?«
    »Ach, Sie wissen das nicht? Ich dachte, weil Sie doch von der
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