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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll
Autoren: Robert Ludlum
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Genau das aber kann er nicht.«

    Ben und Anna schauten sich an. Der feste Blick ihrer klaren braunen Augen spendete ihm Trost.
    »Sollten mir eines Tages Kinder beschert werden, so werde ich diese Erfahrung sicher wieder vergessen haben. Ich werde sie neu machen müssen. Max Hartman war ein Philanthrop im ursprünglichsten Sinne des Wortes - er liebte die Menschen. Ihn zu lieben, war allerdings nicht einfach. Jeden Tag fragten sich seine Kinder, ob sie ihn stolz machten oder beschämten. Heute weiß ich, dass er sich die gleiche Frage auch stellte: Waren wir stolz auf ihn, oder schämten wir uns für ihn?
    Mehr als alles andere wünschte ich mir, dass du, Peter, jetzt hier wärst, dass du mir zuhören, dass du selbst sprechen könntest.« Bens Augen wurden feucht. »Was ich jetzt sage, Peter, hättest du sicher mit deinem Lieblingsspruch >Nicht zu fassen, aber wahr< kommentiert: Vater hat sich immer vor unserem Urteil gefürchtet.«
    Ben senkte für einen Augenblick den Kopf. »Mein Vater hat immer mit der Furcht vor meinem Urteil gelebt. Das hört sich unglaublich an, ich weiß. Warum sollte sich ein Mann, der die Zerstörung von allem, was ihm lieb war, ertragen hat, vor dem Urteil eines in Luxus und Sorglosigkeit aufgewachsenen Jungen fürchten?«
    Ben straffte die Schultern und sprach mit heiserer, etwas lauterer Stimme weiter. »Er fürchtete sich davor, dass ich über ihn richte. Und das tue ich. Er war ein gewöhnlicher Sterblicher. Er hatte Fehler. Er war störrisch, kompliziert und unnahbar. Die Geschichte hatte ihm wie jedem anderen, der sie durchleben musste, Wunden geschlagen.
    Und doch halte ich ihn für einen Helden und für einen guten Menschen.
    Und weil es so schwer war, ihn zu lieben, liebte ich ihn umso mehr...«
    Ben verstummte. Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er konnte nichts mehr sagen. Wahrscheinlich war ohnehin alles gesagt. Er schaute in Annas Gesicht und sah die glänzenden Tränen auf ihren Wangen. Langsam verließ er das Podium und ging zur Rückseite der Halle. Anna folgte ihm und stand an seiner Seite, während die Trauergäste, die in einer langen Reihe an ihnen
vorbeizogen, ihm die Hand schüttelten. Beileidsbekundungen; kurze Anekdoten, die an den Verstorbenen erinnerten; Hände freundlicher alter Männer, die Ben auf die Schulter klopften - Männer, die ihn schon gekannt hatten, als er noch die eine Hälfte der entzückenden Hartman-Zwillinge gewesen war. Ben fing sich allmählich wieder. Er hatte sich wie ausgepresst gefühlt. Doch anscheinend war auch ein Teil des Kummers aus ihm herausgepresst worden.
    Zehn Minuten später, als der Leiter der Steuerabteilung von Hartman Capital eine lustige Anekdote über seinen Vater erzählte, konnte Ben schon wieder lauthals lachen. Seit Wochen, vielleicht seit Jahren hatte er sich schon nicht mehr so unbeschwert gefühlt. Als ein Großteil der Gäste schon auf dem Heimweg war, trat ein großer Mann mit scharf geschnittenem Kinn und rotblondem Haar auf ihn zu und drückte ihm die Hand.
    »Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden«, sagte der Mann und warf Anna einen kurzen Blick zu.
    »Ben, darf ich dich mit einem guten Freund bekannt machen, der uns beiden schon sehr geholfen hat?«, sagte Anna. »Der neue Direktor der Internal Compliance Unit des Justizministeriums - David Denneen.«
    Sie schüttelten sich ausgiebig die Hand. »Hab schon viel von Ihnen gehört«, sagte Ben. »Nochmals vielen Dank, dass Sie uns den Arsch gerettet haben. Oder gehört das zu Ihrem Job?« Denneen war maßgeblich dafür verantwortlich gewesen, dass Anna wieder eine blütenweiße Weste hatte. Er hatte nach allen Regeln der Politkunst die Nachricht durchsickern lassen, dass sie undercover tätig gewesen sei und dass man die Berichte über ihre Verfehlungen getürkt habe, um einen wirklich üblen Bösewicht aus seinem Versteck zu locken. Anna war für ihren »entschlossenen Einsatz zum Wohle des Vaterlandes« von der Regierung belobigt worden. Konkrete Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Einsatz blieben unerwähnt. Immerhin hatte ihr das Belobigungsschreiben zu einem Job als Vize-Präsidentin bei Knapp Incorporated verholfen, wo sie mit dem Bereich >Risikovermeidung< betraut worden war.
    Denneen beugte sich vor, gab Anna einen Kuss auf die Wange und wandte sich dann an Ben. »Eher müsste ich mich bei Ihnen
bedanken«, sagte er. »Und das wissen Sie auch. Egal, das ist Schnee von gestern. In der ICU hab ich im Augenblick nur eine Aufgabe: wieder Ordnung
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