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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage
Autoren: Isabel Allende
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haben es beide gewollt.«
    »Und was wirst du jetzt tun?«
    »Ben ist seit dreißig Jahren verheiratet, er hält große Stücke auf seine Frau und hängt an seinen Kindern. Das ist sein erster Seitensprung.«
    »Ich vermute eher, daß er chronisch Affären hat, aber das ist nicht dein Problem, Juliette, sondern das seiner Frau. Du mußt nach dir schauen und nach deinen Kindern.«
    Um mir zu beweisen, daß ihr Liebhaber es ernst meinte, zeigte Juliette mir seine Briefe, die auf mich verdächtig zurückhaltend wirkten. Das waren keine Liebesbriefe, sondern Anwaltsunterlagen.
    »Er sichert sich ab. Vielleicht hat er Angst, daß du ihn wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz anzeigst; das ist hier strafbar. Jeder, der diese Briefe liest, selbst seine Frau, muß glauben, daß die Initiative von dir ausging, du ihn dir geangelt hast und ihm jetzt nachstellst.«
    »Wie kannst du so etwas sagen!« rief sie erschrocken. »Ben wartet nur auf den geeigneten Augenblick, es seiner Frau zu sagen.«
    »Ich glaube nicht, daß er das tun wird, Juliette. Die beiden haben Kinder und sind seit vielen Jahren zusammen. Es tut mir leid für dich, aber für seine Frau tut es mir nochmehr leid. Versetz dich in ihre Lage, sie ist eine ältere Frau mit einem untreuen Ehemann.«
    »Wenn Ben doch nicht glücklich mit ihr ist …«
    »Man kann nicht alles haben, Juliette. Er wird sich entscheiden müssen zwischen dir und dem schönen Leben, das sie ihm zu bieten hat.«
    »Ich will nicht der Grund für eine Scheidung sein. Ich habe ihn gebeten, daß er sich mit seiner Frau aussöhnt, eine Therapie mit ihr macht oder sie zu zweiten Flitterwochen nach Europa einlädt«, sagte sie und brach in Tränen aus.
    Ich dachte mir, das Spiel werde so weitergehen, bis die Kette am schwächsten Glied – bei Juliette – schließlich riß, aber ich sagte nichts mehr dazu, weil ich nicht wollte, daß Juliette sich von uns entfernte. Außerdem bin ich, wie Willie mich wissen ließ, nicht unfehlbar, und Ben konnte sich ebensogut wirklich in sie verliebt haben und sich scheiden lassen, um bei ihr zu sein, und dann würde ich, weil ich wie eine alte Unke den Mund nicht hatte halten können, diese Freundin verlieren, die ich wie eine weitere Tochter zu lieben gelernt hatte.
    Wie befürchtet, kam Bens Frau aus Chicago, um ein wenig San-Francisco-Luft zu schnuppern. Sie setzte sich in Bens Büro, der klug genug war, sich unter diversen Vorwänden zu verkrümeln, und binnen Stunden hatten ihr Instinkt und die Kenntnis ihres Mannes ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Sie mutmaßte, ihre Nebenbuhlerin könne nur die schöne Assistentin sein, und stellte sie mit ihrer ganzen Autorität der rechtmäßigen Ehefrau, mit dem Selbstvertrauen, das der Reichtum verleiht, und mit dem Schmerz der Betrogenen, über den Juliette nicht hinwegsehen konnte, zur Rede. Ohne lange zu fackeln, kündigte sie ihr die Stellung und warnte sie, sollte sie noch einmal versuchen, mit Ben Kontakt aufzunehmen, werde sie sich persönlich darum kümmern, ihr zu schaden. Ihr Mann ließ sich indiesen Tagen nicht blicken, bot Juliette nur telefonisch eine kleine Abfindung an und bat sie – man höre und staune –, ihre Nachfolgerin einzuarbeiten. Seine Ehefrau stand während des Telefonats daneben und auch, als er den erbärmlichen Brief verfaßte, den letzten in der Serie, mit dem er die Affäre beendete.
    Zwei Tage später kam Willie nach Hause und fand Lori und mich im Badezimmer, wo wir Juliette im Arm hielten, die wie ein geprügeltes Kind auf dem Boden kauerte. Wir erzählten ihm, was passiert war. Er meinte, er habe das kommen sehen, besonders originell sei es nicht, aber von einem gebrochenen Herzen sei bisher noch jeder genesen und spätestens in einem Jahr würden wir alle zusammen bei einem Glas Wein sitzen und uns über diese unglückliche Affäre kaputtlachen. Als ihm Juliette dann jedoch von den Drohungen der Ehefrau erzählte, fand er das gar nicht komisch und bot an, sie juristisch zu vertreten, denn sie hätte das Recht gehabt, vor Gericht zu gehen. Der Fall war ein gefundenes Fressen für jeden Anwalt: eine junge Witwe, Mutter zweier Kinder, mittellos, Opfer eines Millionärs, der sie am Arbeitsplatz sexuell belästigt und nachher auf die Straße setzt. Jedes Geschworenengericht würde Ben in den Staub treten. Willie hatte das Messer schon zwischen den Zähnen, aber Juliette wollte nichts davon wissen, weil es einfach nicht stimmte: Sie hatten sich ineinander verliebt,
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