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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht
Autoren: Monika Dettwiler
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wollte ich das Reich Gottes auf Erden bringen, eine Weltkirche aufbauen, auf der das Böse keinen Platz mehr gehabt hätte.« Als der andere schwieg, fuhr der Papst fort: »Ich fühlte es, Gerbert. Es war mein Schicksal, Papst zu werden. Aber daneben durfte keine weltliche Herrschaft das Gute bedrohen. Deshalb musste ich auch Kaiser werden. Als Apostolischer Hirte und nach dem Jünglingstod Ottos als Kaiser hätte ich die doppelte Macht besessen, die Welt zu ändern. Ein Reich, gestützt auf die geballte Kraft der Klöster. Der Gottesstaat auf Erden.«
    »Aber wie konntet Ihr hoffen, dem Kaiser Eure Idee aufzuzwingen? Weshalb hätte er ausgerechnet Euch, den Papst, zu seinem kaiserlichen Nachfolger bestimmen sollen?«
    »Otto ist tiefgläubig«, sagte Gregor schlicht. »Im richtigen Augenblick wäre es gelungen. Während seiner Krankheit habe ich ihn jeden Morgen allein besucht.« Die Stimme des Papstes schwoll an. »Ich weiß, dass er auf dem Totenbett mich genannt hätte. Die Großen des Reiches hätten das Wort des Sterbenden akzeptiert, denn ich bin blutsmäßig einer der ersten Thronanwärter.«
    Gerbert drückte ihm ein feuchtes Tuch auf die fiebrige Stirn. »Haben die Reformäbte Euch geraten, auch Kaiser zu werden?«
    »Nein«, flüsterte der Papst erschrocken. »Das war ein Geheimnis zwischen Gott, Amizzo und mir. Die Äbte unterstützten meine Pläne, ohne von meiner Papst-Kaiser-Idee etwas zu ahnen.«
    »Weshalb führte Euer Botschafter eine geheime Unterredung mit Abt Witigowo und Abbo von Fleury auf der Reichenau? Im Herbst vor Eurer Weihung?« Gerbert sah, dass der Papst keuchte, nach Luft schnappte. Nochmals fragte der Gelehrte. »Wollt Ihr sicher nichts trinken?«
    »Noch nicht. Amizzo war auf der Reichenau, um über die Zukunft zu sprechen, über die Idee des Papstabtes, den wir Melchisedek zu nennen beschlossen.« Gregor wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.
    »Ein Papstabt?«, fragte Gerbert verwundert.
    »Ja. Unsere Idee ist für die Zukunft gedacht und ganz einfach: Alle Äbte und die aus Klöstern hervorgegangenen Bischöfe bestimmen den Heiligsten unter ihnen zum König der Äbte. Dieser muss auch Papst werden, um das Gottesreich …« Gregor fand keine Luft mehr, griff sich an die fieberheiße Stirn. Als er wieder regelmäßig atmete, lehnte er sich in die Kissen zurück und schloss die Augen.
    Gerbert packte ihn an den Schultern. »Ihr dürft jetzt nicht schlafen!« Als Gregor nicht reagierte, rief Gerbert überlaut: »Das Gespräch Eures Botschafters mit Abbo und Witigowo auf der Reichenau ist belauscht worden.« Er sah, wie der Papst erschrocken zusammenzuckte, und schwieg einen Augenblick. Aber die Neugierde war stärker. Gerbert fuhr fort: »Habt Ihr jenen Lauscher ermorden lassen? Und später in Verona aus dem gleichen Grund den Höfling Carolus, der den Toten gekannt hatte?«
    »Ich wollte die Teufelsmächte niederhalten und für Gott streiten«, delirierte Gregor. Plötzlich setzte er sich auf, konnte wieder klare Gedanken fassen. »Nein«, schrie er. »Nein, da täuscht Ihr Euch, Gerbert. Niemals habe ich einen Menschen ermorden lassen.«
    »Es ist aber geschehen«, sagte Gerbert leise und wandte sich ab.
    Der Papst rief nach seinem Beichtvater. Als die Schritte des Priesters sich näherten, ergriff er sein Getränk. Eine dunkle Flüssigkeit mit zu Brei zerhackten Blättern. Gregor leerte den Becher in einem Zug.
    Steinig und mühsam war der Weg über den Bergkamm nach Süden. Otto konnte nicht schnell genug vorwärts kommen, er musste am Mons Garganus beten. Fastend und in Büßerkleidung.
    Der Abt von Monte Cassino war außer sich gewesen vor Enttäuschung, als der Kaiser so plötzlich abreiste. Keine einzige Nacht wollte Otto mehr im bequemen Kloster verbringen. Sie würden unterwegs irgendeine dürftige Berghütte finden.
    Vor Roccamonfina kreuzte eine Frau in dunklem Umhang die kaiserliche Reisegesellschaft. Mit einer Kerze in der Hand wandte sie sich dem Berghang zu. Als die Alte die Vornehmen sah, machte sie das Kreuz und ging weiter.
    »Ist da oben eine Kirche?«, fragte Otto unvermittelt.
    Die Gläubige ging in die Knie und murmelte: »Ja. Das Gotteshaus der heiligen Maria in der Grotte. Seht Ihr, dort über dem Abhang! Sie haben die Kirche in den Felsen gehauen.«
    Schweigend zog Otto den bestickten Mantel aus und ließ sich einen einfachen Umhang geben. »Reitet weiter bis zum Dorf«, befahl er seinen Gefolgsleuten. »Das liegt nur einige Minuten entfernt. Ich will
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