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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille
Autoren: Lian Hearn
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Kreis. Zu meiner Überraschung sprach er mich höflich an. »Meine Herrin wünscht mit dir zu reden.«
    Ich war mir nicht sicher, ob ich mit ihm gehen sollte, doch er sah aus wie ein redlicher Mann, und ich war neugierig auf die geheimnisvolle Frau. Ich folgte ihm durch den Gang und den Hof. Er trat auf die Veranda und kniete sich an die Tür eines Raums, sagte kurz etwas und winkte mir dann, heraufzukommen.
    Ich warf der Dame einen kurzen Blick zu, fiel auf die Knie und senkte tief den Kopf. Ich war davon überzeugt, eine Prinzessin vor mir zu haben. Ihr Haar fiel wie schwarze Seide bis auf den Boden. Ihre Haut war weiß wie Schnee. Sie trug Gewänder in dunkler werdenden Schattierungen von Creme, Elfenbein und Taubengrau, die mit roten und rosa Pfingstrosen bestickt waren. Um sie herum war eine Stille, die mich zuerst an tiefe Bergteiche denken ließ, dann aber plötzlich an den gehärteten Stahl von Jato, dem Schlangenschwert.
    »Sie sagten mir, dass du nicht sprichst.« Ihre Stimme war so ruhig und klar wie Wasser.
    Ich spürte das Mitgefühl in ihrem Blick, und das Blut schoss mir ins Gesicht.
    »Mit mir kannst du reden«, fuhr sie fort. Sie nahm meine Hand und zeichnete mir mit dem Finger das Zeichen der Verborgenen auf die Handfläche. Ein Schreck durchfuhr mich wie das Brennen einer Nessel. Instinktiv zog ich die Hand zurück.
    »Erzähl mir, was du gesehen hast.« Ihr Ton war nicht weniger freundlich, dabei aber drängend. »Es war Iida Sadamu, nicht wahr?«
    Fast wider Willen schaute ich sie an. Sie lächelte, doch ohne Heiterkeit.
    »Und du bist von den Verborgenen«, fügte sie hinzu.
    Lord Otori hatte mich davor gewarnt, mich zu verraten. Ich hatte geglaubt, ich hätte mein altes Selbst mit dem Namen Tomasu beerdigt. Doch vor dieser Frau war ich hilflos. Ich wollte gerade nicken, da hörte ich Lord Otoris Schritte im Hof. Mir wurde klar, dass ich ihn am Schritt erkannte, und ich wusste, dass eine Frau ihm folgte und der Mann, der mit mir gesprochen hatte. Ich hörte, wie der Stallknecht aufstand und die Küche verließ. Ich hörte den Klatsch der Zimmermädchen und erkannte jedes an seiner Stimme. Diese Hellhörigkeit, die langsam zugenommen hatte, seit ich nicht mehr sprach, überwältigte mich jetzt mit einer Flut von Geräuschen. Es war fast unerträglich, als hätte ich schlimmstes Fieber. Ich fragte mich, ob die Frau vor mir eine Zauberin war, die mich behext hatte. Ich wagte nicht, sie anzulügen, doch ich konnte nicht sprechen.
    Die Frau, die ins Zimmer kam, rettete mich. Sie kniete sich vor Lady Maruyama und sagte leise: »Seine Lordschaft sucht den Jungen.«
    »Bitte ihn herein«, entgegnete die Dame. »Und, Sachie, würdest du bitte das Teezubehör bringen?«
    Lord Otori trat in den Raum, und er und Lady Maruyama tauschten tiefe, respektvolle Verbeugungen. Sie sprachen höflich miteinander wie Fremde, und sie redete ihn nicht mit seinem Namen an, doch ich hatte das Gefühl, dass sie sich gut kannten. Zwischen ihnen war eine Spannung, die ich erst später verstand; damals machte sie mich nur noch befangener.
    »Die Zimmermädchen haben mir von dem Jungen erzählt, der mit Ihnen reist«, sagte sie. »Ich wollte ihn selbst sehen.«
    »Ja, ich bringe ihn nach Hagi. Er ist der einzige Überlebende eines Massakers. Ich wollte ihn nicht Sadamu überlassen.« Mehr schien er nicht sagen zu wollen, doch nach einer Weile setzte er hinzu: »Ich habe ihm den Namen Takeo gegeben.«
    Jetzt lächelte sie - ein echtes Lächeln. »Ich bin froh. Er hat etwas Gewisses an sich.«
    »Finden Sie? Ich fand das auch.«
    Die Frau kam mit einem Tablett, einem Teekessel und einer Schale in den Raum. Sie stellte die Gegenstände in meiner Augenhöhe auf die Matten, wo ich sie deutlich sehen konnte. In der Glasur der Schale waren das Grün des Waldes, das Blau des Himmels.
    »Eines Tages werden Sie nach Maruyama ins Teehaus meiner Großmutter kommen«, sagte die Dame. »Dort können wir die Zeremonie vollziehen, wie es sich gehört. Aber jetzt müssen wir uns so gut wie möglich behelfen.«
    Sie goss das heiße Wasser ein und ein bittersüßer Geruch stieg aus der Schale.
    »Setz dich auf, Takeo«, sagte sie.
    Mit dem Teebesen schlug sie den Tee zu grünem Schaum. Dann reichte sie die Schale Lord Otori. Er nahm sie in beide Hände, drehte sie dreimal, trank daraus, wischte mit dem Daumen den Rand ab und gab die Schale mit einer Verbeugung zurück. Lady Maruyama füllte sie wieder und reichte sie mir. Ich machte sorgsam
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