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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers
Autoren: Daniel Loy
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Sorge, dass er etwas anderes tun könnte, als ihr zu Diensten zu sein.
    Sie war naiv, gewiss. Aber diese Sorglosigkeit bewies mehr als alles andere, dass sie noch nie im Leben das Knie vor einem Höhergestellten gebeugt hatte.
    Dennoch hatte sie keine Erziehung genossen, das wurde ebenso deutlich. Sie hatte wohl nicht viele Lehrer gehabt, nur ein paar Bücher, die sie selbst nach Neigung auswählte. Und vielleicht eine alte Amme, die ihr den Kopf mit Märchen füllte.
    So hochgestellt   … und so vernachlässigt. Was sollte er damit anfangen? Womöglich sollte er hoffen, dass dieses Mädchen seiner Familie weiterhin gleichgültig blieb. Andererseits, es lag gewiss auch eine Aussicht auf Gewinn darin, wenn er nur den richtigen Hebel fand. Noch gab er die Sache nicht verloren.
    »Bevor wir nach einem besseren Bräutigam suchen, den wir vielleicht finden werden, vielleicht aber auch nicht«, sagte er, »was haltet Ihr davon   …«
    Dauras hielt inne. Ganz von allein war er diesem Kind gegenüber in die respektvollere Anrede gefallen. Er ärgerte sich über sich selbst. Was sagte es über ihn aus, dass er immer noch so empfänglich dafür war, wenn jemand irgendwie von Stand war?
    »Würde Euer Vater es zu schätzen wissen, wenn ich seine Tochter wohlbehütet wieder nach Hause bringe?«
    »Nein!«
    Dauras fuhr auf, als dieses verträumte und stille Dämchen so überraschend die Stimme erhob. Sie ballte die Fäuste. »Glaub mir, zu meinem Vater willst du ganz bestimmt nicht !«
    Aruda stand neben dem Feuer und zitterte. Dauras spürte ihren Herzschlag. Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass sie Angst hatte. Der bloße Gedanke an ihren Vater erschreckte sie mehr als das Gemetzel im Gasthaus und als ihre »Entführung« zu einer unerwünschten Hochzeit.
    »Also gut«, sagte er. »Damit wir beide wissen, worüber wir reden. Wer ist Euer Vater? Und wer genau seid Ihr ?«
    Aruda zögerte. Sie holte Atem und sagte: »Ich bin Prinzessin Aruda   … Aruda Callindrin Beahad. Aredrel Callindrin ist mein Vater. Der Kaiser in Horome. Der wahnsinnige Kaiser   … so nennt ihr ihn alle, nicht wahr?«

30.9.962 – HOROME
    M eris wartete in der Halle vor dem Kontor des Hofrats. Kuriere eilten an ihr vorbei, über der Schulter versiegelte Satteltaschen mit dem aufgeprägten Abzeichen des kaiserlichen Botendienstes. Schreiber saßen in langen Reihen unter den hohen Fenstern. Das Kratzen von Federn und hin und wieder geflüsterte Gespräche hallten in dem Saal wider.
    Ennod von Reinenbach hatte sie zu sich gerufen, der Hofrat für Kurierwesen. Ein Amt, das so unscheinbar klang und doch so bedeutend war, dass von Reinenbach im ganzen Palast als der Hofrat bekannt war. Die Kuriere, die in ihren uniformartigen Röcken aus braunem Leder durch den Raum hasteten, zu den Stallungen und von dort aus weiter in alle Winkel des Reiches, machten nur einen kleinen Teil seines Dienstes aus. Die meisten Boten , die unter von Reinenbachs Kommando standen, waren weitaus unauffälliger: Männer und Frauen wie Meris, die dorthin gingen, wo der Hofrat es ihnen befahl, die Augen und Ohren offenhielten und Bericht erstatteten, und die taten, was immer nötig war, um den Worten des Kaisers Gewicht zu verleihen. Und es waren stets die Worte des Kaisers, auch wenn es der Hofrat war, der sie auf den Weg schickte.
    Einst hatte das Heer des Kaisers im ganzen Reich für Ordnung gesorgt. Heute waren die Boten des Hofrats die Einzigen, die Briefe und Dolche ans Ziel brachten, die Respekt für Krone und Reich einforderten, und sei es getarnt als Händler oder Kaufleute, als fahrende Ritter, Spielleute oder als der Bauer oder der Apotheker von nebenan.
    Der Hofrat hatte seine Helfer überall, und Meris gehörtezu ihnen. Die letzten Monate hatte sie auf einem Amt in der Hauptstadt verbracht. Sie erfüllte die Arbeit dort so gut sie es vermochte, und sie erhielt den Sold, der dieser Stellung zugedacht war. Aber nichts von dem, was sie dabei tat, war so wichtig wie die Berichte, die sie an jedem Zehnttag ihrem wahren Herrn übergab. Berichte über ihre Kollegen, über ihre Begegnungen und über alles, was sonst für die Kanzlei des geheimen Botendienstes von Interesse sein mochte.
    Für Meris bedeutete das vor allem, dass sie an jedem Abend nach Hause gehen konnte, in ihre kleine Wohnung in der Oststadt. Es war ein Luxus für sie, dass sie diese Stunden in ihrem anderen Leben verbringen durfte, in ihrem privaten Leben. Einem Leben, das ihren Herrn nicht
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