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Das Schweigen

Das Schweigen

Titel: Das Schweigen
Autoren: Jan Costin Wagner
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ausgesagt, dass Korvensuo den
    ganzen Freitag über Termine in Helsinki wahrgenom-
    men hat«, hatte Heinonen eingewendet.
    »Ja, ja ... wir müssen das überprüfen«, hatte Sund-
    ström gesagt und angefügt, dass er gleich morgen früh
    nach Helsinki fahren werde. Und dass Kimmo ihn be-
    gleiten solle.
    Er dachte an Marjatta Korvensuo, die er also morgen
    sehen würde. Und an den Jungen, Aku. Und an die Toch-
    ter, Laura. Er würde also sehen, wie es ihnen ging. Einen
    Eindruck gewinnen. Er würde dort sein. Er würde Mar-
    jatta Korvensuo gegenüber sitzen. Genau wie heute
    Nachmittag würden sie sich auch morgen wieder gegen-
    über sitzen. Er würde die Gelegenheit haben, noch ein-
    mal von vorn zu beginnen, noch einmal mit ihr zu spre-
    chen. Aber worüber.
    Er öffnete die Augen und sah die weite, ruhige Was-
    serfläche. Die Mitternachtssonne schien blass, aber be-
    harrlich. Irgendwo, in einem toten Winkel, wartete der
    Gedanke an etwas, das er gesehen, aber nicht begriffen
    hatte.
    Er versuchte, sich dem Gedanken zu nähern, und sah
    sich gemeinsam mit Ketola und Antti aus dem Archiv
    durch dichtes Schneetreiben rennen.
    Antti war inzwischen übernommen worden und
    schien sich im Archiv bei Päivi Holmquist sehr wohl zu
    fühlen. Kimmo gönnte es ihm von Herzen.
    Päivi Holmquists Rumpelkammer.
    Ketolas alte Akten.
    Ketolas Handschrift. An dem Tag, an dem Pias Lei-
    che gefunden worden war. Ketolas Hand hatte gezittert,
    während er eine Notiz auf einen Zettel schrieb. Eine
    Notiz in den alten Akten.
    Kalevi Vehkasalo. Sinikkas Vater. Auch seine Hand
    hatte gezittert, während er neben seiner Frau auf dem
    Sofa gesessen und sie gebeten hatte, sie solle die Ruhe
    bewahren.
    Morgen würden Heinonen und Grönholm mit Si-
    nikkas Eltern sprechen. Sie würden versuchen, eine Ver-
    bindung herzustellen zwischen einem verstorbenen Im-
    mobilienmakler und ihrer Tochter. Obwohl Korvensuo
    nicht derjenige gewesen sein konnte, der Sinikka am
    vergangenen Freitag in den Weg getreten war. Vermut-
    lich nicht.
    Er dachte an Sinikka. An ihr Gesicht auf dem Foto.
    An die Nachricht, die Ruth Vehkasalo auf die Mailbox
    gesprochen hatte. Immer dieselbe Nachricht. Sinikka
    solle sich melden. Bitte. Am Ende hatte Sinikkas Mutter
    geschrien und fast geweint und die Katastrophe in sich
    gespürt, obwohl sie noch nicht gewusst hatte, dass
    Sinikkas Fahrrad gefunden worden war.
    Ruth Vehkasalos Nachricht hatte das Haus nicht
    verlassen, denn das Handy hatte in Sinikkas Zimmer
    gelegen. Warum eigentlich ... warum hatte Sinikka das
    Mobiltelefon nicht mitgenommen, als sie zum Trai-
    ning fuhr ... er dachte, dass er die Vehkasalos fragen
    musste, ob ihre Tochter vergesslich gewesen sei, und
    begann jetzt doch, in den Schlaf hinabzugleiten ...
    in wenigen Stunden würde Sundström vor der Tür
    stehen.
    Sundström wollte zeitig losfahren und hatte vorge-
    schlagen, Joentaa zu Hause abzuholen ... er wusste
    nicht, wie spät es war, aber es konnten nur noch ein
    paar Stunden sein, er hatte den Eindruck, dass die
    Mitternachtssonne schon kaum merklich in die
    Morgendämmerung überging ... aber er hatte das
    Gefühl, nicht schlafen zu wollen ...
    Er richtete sich ruckartig auf.
    Er dachte an das Modell auf Rädern. Im Schneetrei-
    ben. Und Monate später in Ketolas Wohnung. Auf dem
    Tisch im Wohnzimmer. Ketola hatte gelacht ... ungläu-
    big ... hatte es einfach nicht verstehen können, so war es ihm selbst auch gegangen, aber dennoch ... etwas, das er
    gesehen hatte ... etwas ganz und gar Nebensächliches.
    Einer der Ermittler hatte ein Gespräch geführt, eines
    der weniger wichtigen ...
    Er stand auf und lief zum Haus. Etwas, das er mit den
    Augen gestreift hatte... eine Passage, die er nur überflo-
    gen hatte, weil sie zu den weniger wichtigen zählte und
    weil er zu müde gewesen war, um sich noch ausreichend
    zu konzentrieren ... ein Gespräch, das kürzlich geführt
    worden war ... er schloss die Tür auf und ging ins
    Wohnzimmer, die Akten lagen ungeordnet und ver-
    streut, er suchte eine Aussage über Sinikka, etwas, wo-
    rüber er nachgedacht hatte, weil es seltsam gewesen war,
    nicht wichtig, aber seltsam.
    Er blätterte und blätterte und fand die gottverdammte
    Seite nicht. Er setzte sich und zwang sich, einen Ordner
    nach dem anderen in aller Ruhe durchzusehen. Nur die
    Ruhe.
    Locker bleiben, Kimmo, hatte Sanna gerne gesagt,
    obwohl sie selbst zu wesentlich beängstigenderen Wut-
    anfällen fähig gewesen war als er.
    Da
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