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Das Schweigen der Tukane

Das Schweigen der Tukane

Titel: Das Schweigen der Tukane
Autoren: Anne Gold
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angestammten Platz zurück.
    «Lass uns mit den Nachbarn reden, Nadine. Vielleicht hat jemand etwas Ungewöhnliches bemerkt.»
    Eine halbe Stunde später gaben sie auf.
    «Wie immer, niemand weiss etwas, alle sind überrascht, dass hier im Haus eine Prostituierte ihrer Arbeit nachgegangen ist. Alles ehrenwerte Bürger.»
    «Oder wie Udo Jürgens singt», klinkte sich Strub in die Unterhaltung ein, «ein ehrenwertes Haus. Was schaust du mich so an, Francesco? Dein Gesichtsausdruck ist irgendwie komisch …»
    «Vielleicht siehst du den Gorilla in mir?»
    Strub wich unweigerlich zurück.
    «Keine Sorge, heute bin ich ganz friedlich. So, wie Gorillas von Natur aus sind. Es sei denn, sie werden provoziert.»
    Nadine raste zurück ins Kommissariat, vermutlich mit neuem Streckenrekord. Weshalb lasse ich mich immer wieder auf diese Tortur ein? Sobald sie hinter dem Steuer sitzt, benimmt sie sich wie eine Wahnsinnige.
    «Das war Rot!», entfuhr es dem Kommissär.
    «Blödsinn. Höchstens Orange.»
    «Dunkelrot!»
    «Beifahrer Klappe halten! Und zerkratz mir nicht das Armaturenbrett. Du brauchst dich nicht so krampfhaft daran festzuhalten. Das ist eine Beleidigung für meinen Fahrstil.»
    Der Kommissär liess los und versuchte, so locker wie möglich zu bleiben.
    «Und hör mit dem blöden Ein- und Ausatmen auf!»
    «Also bitte, das Atmen wirst du mir doch wohl noch erlauben.»
    «Du schnaufst wie ein Ross. He … schau dir diesen Trottel an … er hat mich geschnitten!», sie zeigte einem Motorradfahrer den Stinkefinger. «Arschloch!»
    Ferrari lehnte sich zurück und schloss die Augen. Das war die absolut einzige Möglichkeit, ruhig zu bleiben oder zumindest den Anschein von Gelassenheit zu erwecken.
    «Kennst du den Song ‹Slow down›?», fragte Ferrari nach einer Weile.
    «Nö, das sagt mir gar nichts.»
    Wen wunderts.
    «Endstation! Du kannst die Augen wieder aufmachen.»
    Slow down. You’ve got to slow down and take ist easy. Slow down. You’ve got to slow down and take it easy, oh yeah!, summte der Kommissär beim Aussteigen leise vor sich hin. Wer sagts denn, mit Humor und Gelassenheit geht alles viel besser, sogar eine Irrsinnsporschefahrt.
    «Sag mal, Nadine, warum bist du heute Morgen zu mir gekommen?»
    «Wegen Koch.»
    «Ja, schon. Aber war das eine spontane Eingebung?»
    «Wenn ich es mir genau überlege, gab es einen konkreten Anlass. Ich traf Koch unten bei Noldi. Er druckste so komisch herum und ging dann wieder.»
    «Ist dir das schon öfters aufgefallen?»
    «Eigentlich nicht, nein. Ich sagte zu Noldi, mit dem stimmt etwas nicht. Ich rede mit Francesco darüber … Du meinst …?»
    «Bei dem Fall machen mich einige Dinge stutzig», Ferrari blickte auf seine Armbanduhr. «Jetzt ist es kurz vor Mittag. Wann bist du bei mir reingestürmt, so um halb zehn?»
    «Das kommt hin. Ich bin um halb neun oder viertel vor neun bei Noldi gewesen.»
    «Und der Mord geschah nach bisherigem Kenntnisstand zwischen halb acht und acht. Übrigens ein weiterer Punkt, der mir nicht gefällt. Nicht gerade die optimale Zeit für einen kleinen Beischlaf.»
    «Ein frühes Huhn legt ein grosses Ei!»
    Der Kommissär lachte.
    «Den Spruch höre ich zum ersten Mal.»
    «Eine alte Bauernweisheit. Du meinst, Peter Grauwiler wollte Nora gar nicht zum Schäferstündchen besuchen und Koch wusste bereits, dass der Nationalrat tot ist, als ich ihn bei Noldi traf?»
    «Durchaus möglich.»
    «Und jetzt?»
    «Jetzt unterhalten wir uns mit dem Kollegen Koch. Wenn der überhaupt ansprechbar ist.»

3. Kapitel
    Ferrari stand am Fenster und ging einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nach, er sah dem Treiben unten im Hof zu. Der Abwart des Waaghofs unterhielt sich mit Jakob Borer. Wenn ich das Fenster öffne, kann ich vielleicht ein paar Fetzen der Unterhaltung aufschnappen. Doch der Kommissär widerstand der Versuchung. Nach einigen Minuten klopfte Borer dem Hausmeister kräftig auf die Schulter, rieb sich die Hände und verschwand im Treppenhaus. Durch das Tor fuhr ein Streifenwagen in den Hof. Eine Polizistin stieg aus, öffnete die Beifahrertür und half einem Kollegen aus dem Auto, der sich anscheinend bei einem Einsatz verletzt hatte. Ferrari schaute zum Himmel hinauf. Regenwolken. Es war Ende April, diese Übergangszeit vom Winter zum Frühling liebte er nicht besonders. Schwankende Temperaturen, mal kalt, dann plötzlich über Nacht zwanzig Grad. Es ist gut, wenn es nach dem strengen Winter endlich ein wenig wärmer wird. Die Natur, das
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