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Das Schweigen der Toten

Das Schweigen der Toten

Titel: Das Schweigen der Toten
Autoren: Todd Ritter
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frische Luft. Saubere, kühle, gesegnete Luft. Und Wasser. Gleich hinter der Wand.
    «See», ächzte er. «Der … See.»
    Kat nahm Anlauf, so weit es das Feuer im Rücken gestattete, und warf sich gegen die Wand, versuchte es, als diese nicht nachgab, ein zweites Mal und wieder und wieder.
    Henry sah, dass die Flammen näher rückten und den grauen Rauch gelbrot färbten. Plötzlich sah er ein Schemen daraus hervortreten, eine Gestalt, in der er Nick Donnelly wiedererkannte. Sein von Ruß geschwärztes Gesicht war schmerzverzerrt, das rechte Bein, das er hinter sich herzog, eingegipst und von Flammen umzüngelt.
    In den Händen hielt er eine Axt, mit der er sofort auf die Holzwand einzuhacken begann. Splitternd gab sie Planke für Planke nach. Sie stürzten sich durch das entstandene Loch in den See, der unmittelbar dahinter lag.
    Henry tauchte in kühles Wasser ein, das Ruß und Rauch von ihm abspülte und seine Schmerzen an Hals und Mund linderte. Auf dem Grund angelangt, stieß er sich mit den Beinen ab und strebte der schimmernden Wasseroberfläche entgegen. Er konnte es kaum erwarten, wieder aufzutauchen, von Feuer, Rauch und Blut reingewaschen und befreit.
    Frei von seiner Vergangenheit.
    Frei von Schuld.
    Frei.

Epilog
    Am Neujahrsmorgen wurde Kat von lautem Lachen geweckt, das aus dem Wohnzimmer kam. Sie hob den Kopf und sah auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Es war noch nicht mal acht Uhr. James und sein neuer Freund waren offenbar schon auf – und hatten wahrscheinlich Hunger.
    Als Kat die Treppe hinunterging, polterte es, und sie hörte das Patsch-patsch von Pfoten auf Parkett. James lag auf dem Teppich im Wohnzimmer und kringelte sich vor Lachen. Ein junger Beagle sprang ausgelassen um ihn herum und wackelte begeistert mit dem Schwanz.
    «Wir spielen Fangen», sagte er, als er seine Mutter sah. «Hast du Lust mitzumachen?»
    Kat lehnte dankend ab. «Ich brauche erst einmal einen Kaffee.»
    Der Hund folgte ihr in die Küche und steuerte sofort auf seinen Napf zu, auf dem der Name Scooby stand. Kat füllte ihn mit Trockenfutter.
    Der Beagle war ein Geschenk von Caleb Fisher, dessen Hündin geworfen hatte. James war von den Welpen so begeistert gewesen, dass Kat ihm den Wunsch, einen mit nach Hause nehmen zu dürfen, nicht hatte abschlagen können, zumal sie hoffte, dass das Hündchen eine therapeutische Wirkung hatte.
    James schien den Schock zwar schon wenige Tage nach Halloween überwunden zu haben, litt aber unter Albträumen und plötzlichen Angstattacken. Einmal in der Woche ging Kat mit ihm zur Therapie. Sie wusste nicht, ob er sich jemals ganz von dem erholen würde, was er an jenem Abend erlebt hatte, hoffte es aber sehr.
    Das Hündchen half tatsächlich. Es machte James glücklich.
    Als Scooby versorgt war, gab Kat ihrem Sohn eine Schale Cornflakes und ein Glas Orangensaft zum Frühstück. Sie hatte sich gerade eine Tasse extrastarken Kaffee eingeschenkt, als das Telefon klingelte. Es meldete sich eine vertraute Stimme.
    «Schalt mal CNN ein», sagte Nick Donnelly.
    Kat unterdrückte ein Gähnen. «Auch dir ein frohes neues Jahr.»
    «Mach schnell.»
    Mit der Tasse in der Hand und dem Hörer am Ohr ging Kat ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Auf dem Bildschirm begrüßte sie Nick höchstpersönlich. Er sah wie immer großartig aus und gab ein Interview im Studio von CNN .
    An seinem Stuhl lehnte ein Stock. Kat wusste, dass er darauf nicht verzichten konnte. Nach zahlreichen Operationen und wochenlanger Physiotherapie stand fest: Die schwere Beinverletzung würde nie ganz verheilen.
    «Siehst du mich?», fragte er.
    «Ja. Aber wie schaffst du es, mit mir und deinem Gegenüber von CNN gleichzeitig zu sprechen? Du hast dich doch nicht etwa klonen lassen, um auch in Zukunft schweren Jungs nachstellen zu können?»
    «Sehr komisch, aber keine schlechte Idee, das mit dem Klonen. Das Interview wurde vor zwei Wochen aufgezeichnet.»
    Über den Fernsehlautsprecher hörte Kat ihn sagen: «Ein faszinierender Fall. Martin Swan war so sehr in seinem eigenen Trauma gefangen, dass es ihm nichts ausmachte, anderen Schmerzen zuzufügen.»
    Kat schaltete den Fernseher auf stumm. Sie kannte die Einzelheiten zur Genüge und musste sie nicht noch einmal hören, auch nicht von einem Freund.
    «Und dein wievieltes Interview ist das?», fragte sie.
    «Hab vergessen mitzuzählen. Aber das da konnte ich nicht ablehnen. Es gehört zu einer Reihe über die zehn größten Storys des Jahres. Gerade
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