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Das Schwarze Weib

Titel: Das Schwarze Weib
Autoren: Julius Wolff
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gekommen ist, weiß ich nicht mehr, aber nach der ersten Ernte unter seinem Betriebe, die sehr gut ausgefallen war, heiratete meine Mutter ihren Großknecht, und nun zog er plötzlich ganz andere Saiten auf. Als Herr in Haus und Hof trat er auch herrisch auf, und alles mußte nun nach seinem Willen gehen. Die Mutter hatte nichts mehr zu sagen, und nur mit vieler Mühe und nach manchem harten Streite konnte sie es durchsetzen, daß ich den guten Unterricht noch weiter genießen durfte. Ich sollte im Weinberge und auf dem Felde mitarbeiten, verlangte er und ließ mich mit jedem Tage mehr fühlen, daß ich ihm ein unbequemes, sehr überflüssiges Stiefkind war.
    Jahre vergingen; ich hatte mich zu einem kräftigen Mädchen entwickelt und sah, wie sehr meine Mutter unter dem rohen Wesen ihres zweiten Mannes litt, vor dem sie zu schützen nicht in meiner Macht lag; jeden Versuch dazu hatte ich schwer zu büßen. Nun mußte ich öfter die fälligen Gilten, das Fastnachtshuhn und andere Abgaben nach dem Meierhofe des Klosters tragen, was ich anfangs sehr gern tat, um dann und wann auf kurze Zeit von Hause wegzukommen und frei und allein zu sein, denn die Meierei war wenig über eine halbe Stunde von Gamburg entfernt. Bald aber trat ich diesen Weg nur mit dem größten Widerstreben an, und das hatte seinen besonderen Grund.«
    »Was für einen Grund, Trudi?« fragte Madlen, berührt von dem auffallend bittern Tone, mit dem Trudi die letzten Worte gesprochen hatte, und weil sie danach in ihrem Berichte wieder stockte.
    »Der Sohn des Meiers,« griff Trudi den Faden wieder auf, »hatte seinem alternden, schwachen Vater das Regiment auf dem Klosterhofe ganz aus den Händen genommen und schaltete nun dort allein nach seinem Belieben. Sooft ich dahin kam, näherte sich mir der Vincenz Ebendorffer, – so hieß der junge Meier – sprach in Ausdrücken zu mir, die mir das Blut in die Wangen trieben, und stellte mich, um mich länger bei sich zu behalten, zu leichten Arbeiten an, dies damit erklärend, daß mein Stiefvater seinem Frondienst nicht genügend nachkäme und ich ihn dafür durch Leistungen meinerseits entschädigen müßte. Er sagte mir das mit einer falschen, geschmeidigen Höflichkeit und sah mich dabei von oben bis unten mit so seltsamen Blicken an, daß ich mich im Innern davon erschaudern fühlte. Ich mochte den widerlichen Menschen mit seinem fuchsroten Haar und Bart nicht leiden; sein Benehmen, seine bloße Gegenwart schon flößten mir unwillkürlich Mißtrauen und Furcht ein. Mein Stiefvater schien mein längeres Fortbleiben von Hause nicht zu beachten oder war dessen vielleicht froh, um mich, die ihm sichtlich Verhaßte, nicht beständig vor Augen haben zu müssen.«
    Mit steigender Spannung lauschte Madlen den Eröffnungen der immer erregter Werdenden. »Hast du dich in dieser Annahme nicht getäuscht, liebes Kind?« fragte sie jetzt. »Er entbehrte doch während deiner Abwesenheit deine Hilfe bei der Arbeit.«
    Trudi schüttelte das Haupt. »Nein, ich habe mich nicht getäuscht, und später ist mir die Erkenntnis darüber aufgegangen, warum er mich immer nach dem Klosterhof schickte. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß meine Mutter dem Pankraz nicht lange nach der Hochzeit einen Knaben geboren hatte. Von Stund an war ich, die rechtmäßige künftige Erbin des Lehngutes, ihm im Wege, und er wollte mich los sein, um den durch die Heirat mit meiner Mutter erschlichenen Besitz dermaleinst seinem Sohne verschreiben zu können.
    Nun durchschaute ich auch die abscheulichen Absichten Vincenz Ebendorffers, der immer zudringlicher, immer deutlicher in seinen Anspielungen wurde und die unverschämtesten Verführungskünste gegen mich aufbot. Er begehrte meiner, aber nicht zum Weibe; er wollte mich nur besitzen, und mein Stiefvater – unterstützte ihn in seinen sündhaften Plänen,« rief Trudi zornrot.
    »Trudi!«
    »Hört mich nur weiter! Eines Tages kam der Vincenz zu uns und hatte eine heimliche Unterredung mit Pankraz, deren Inhalt ich von meiner Mutter erfahren habe. Er hatte ihm den Vorschlag gemacht, mich ihm auf den Meierhof auszuliefern, wogegen er ihn von allem Frondienst befreien und ihm die Gilten und Beden soviel wie möglich erlassen wollte. Mein Stiefvater war auf den gewissenlosen Handel bereitwillig eingegangen, aber meine Mutter, die unsere trübseligen häuslichen Verhältnisse kaum noch ertragen konnte und, an Leib und Seele davon angegriffen, kränkelte, raffte all ihr bißchen Kraft noch auf,
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