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Das schoenste Geschenk

Das schoenste Geschenk

Titel: Das schoenste Geschenk
Autoren: Nora Roberts
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daraufhin fragend die Brauen hob, lachte sie. »Entschuldigen Sie. Das ist der Fluch der Kleinstadt. Neuigkeiten verbreiten sich rasend schnell. Vor allem, wenn jemand aus dem Flachland zuzieht.«
    »Flachland?« Victor lehnte sich an den Pfosten des Geländers.
    »Sie kommen aus der Stadt. Das ist für uns Flachland.« Sie lachte vergnügt. »Auch wenn Sie zwanzig Jahre hier wohnen, sind Sie noch ein Zugereister. Genauso wie dieses Haus immer das Haus des alten Farley bleiben wird.«
    »Es ist mir ziemlich egal, wie man dieses Haus nennt«, bemerkte er abweisend.
    Bei dieser unfreundlichen Antwort fiel ein Schatten über ihr Gesicht. Sie ahnte, dass er viel zu stolz war, um einen Gefallen von ihr anzunehmen. Sie musste es anders anfangen.
    »Auch ich renoviere gerade mein Haus«, sagte sie vorsichtig. »Meine Großmutter hat es nie über sich gebracht, etwas wegzuwerfen. Können Sie nicht vielleicht ein paar Stühle gebrauchen? Ich muss sie sonst auf den Dachboden schleppen. Es wäre mir ganz lieb, wenn ich sie loswerden könnte.«
    Ausdruckslos schaute er sie an. »Ich habe alles, was ich benötige.«
    Sharon hatte mit dieser Antwort gerechnet. »Falls Sie Ihre Meinung ändern, sie stehen auf dem Speicher. Das ist ein hübsches Stück Land«, bemerkte sie, während sie über die grünen Weiden schaute, die zu dem Anwesen gehörten. »Wollen Sie Vieh halten?«
    Er betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. »Warum?«
    Die Frage klang kalt und unfreundlich. Doch Sharon bemühte sich, darüber hinwegzuhören. »Ich kann mich noch daran erinnern, dass es hier einmal Kühe gab. Das war vor dem Feuer. Ich war damals noch ein kleines Mädchen. Wenn ich nachts im Bett lag, konnte ich im Sommer die Kühe muhen hören. Ich fand das wunderschön.«
    »Ich habe nicht vor, mir Kühe zu halten«, antwortete er knapp und nahm wieder seinen Hammer in die Hand. Die Geste besagte eindeutig, dass er sie loswerden wollte.
    Überrascht schaute Sharon ihn an. Nein, er war nicht schüchtern, sondern ganz einfach grob und unhöflich. »Ich bedaure, Sie bei Ihrer Arbeit gestört zu haben«, erklärte sie kühl. »Da Sie ein Fremder sind, möchte ich Ihnen einen Rat geben: Wenn Sie keine Eindringlinge wünschen, dann stellen Sie Verbotsschilder an den Grenzen Ihres Grundstücks auf.« Damit wandte sie sich ab und verschwand zwischen den Bäumen.

2. K APITEL
    So eine naseweise kleine Person, dachte Victor, während er nachdenklich mit dem Hammer gegen seine Hand klopfte. Er wusste, dass er sich unhöflich verhalten hatte, aber das störte ihn nicht im Geringsten. Er hatte nicht ein abgelegenes Stückchen Land in einem gottverlassenen Nest gekauft, um Gäste zu empfangen. Er kam sehr gut ohne Gesellschaft aus, vor allem ohne dieses blonde Naturkind mit seinen großen braunen Augen und den Grübchen.
    Was erwartete sie nur von ihm? Wollte sie sich mit ihm unterhalten? Oder das Haus sehen? Er lachte verächtlich. Sie war wohl auf gute Nachbarschaft bedacht? Mit drei heftigen Schlägen trieb er einen Nagel in das Geländer. Er brauchte keine Nachbarn. Was er brauchte, war Zeit für sich selbst. Wie viele Jahre war es her, dass er sich diesen Luxus hatte leisten können?
    Erneut schlug er einen Nagel in das Geländer. Es hatte ihm sehr missfallen, dass er sich vorhin in dem Lebensmittelladen sekundenlang so stark zu ihr hingezogen fühlte. Frauen spürten solch eine Schwäche mit sicherem Instinkt. Aber er würde sich nicht noch einmal ausnutzen lassen. Zu viele Narben erinnerten ihn daran, dass sich hinter großen unschuldigen Augen meist Berechnung verbarg.
    Jetzt bin ich also Schreiner, dachte er. Das heruntergekommene Haus wieder aufzubauen war eine sinnvolle Arbeit, eine Arbeit, die ihm dabei helfen würde, wieder zu sich selbst zu finden. Der Vizepräsident seines Bauunternehmens konnte die Firma ruhig einmal für ein paar Monate allein führen. Er hatte einen Urlaub nötig. Und die kleine Blonde sollte sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Er war an einer nachbarschaftlichen Beziehung nicht interessiert.
    Victor hörte plötzlich Blätter rascheln und drehte sich um. Sharon war zurückgekommen.
    Zielstrebig ging sie auf ihn zu. Er fluchte leise vor sich hin. Langsam legte er den Hammer aus der Hand, um sie verärgert anzuschauen. »Nun?«, fragte er.
    Sharon ließ sich von Victors Zurückhaltung nicht einschüchtern. An der untersten Verandastufe blieb sie stehen, um seinen abweisenden Blick ebenso zu erwidern. »Ich weiß, dass Sie
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