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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman
Autoren: Laura Moriarty
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Gouverneurs, und erst danach einigten sich die Befürworter darauf, den Wortlaut dahingehend zu ändern, dass die Weisung nur für verheiratete Bürger galt. Unverheiratete mussten in Kansas ein weiteres Jahr warten, bevor ein Bundesgesetz vorschrieb, dass die Gesundheitsbehörden Informationen über Geburtenkontrolle an jeden Erwachsenen weitergeben mussten, verheiratet oder nicht.
    Raymond kaufte eine Torte für sie – Coras Lieblingstorte mit Zitronenglasur – und brachte sie ihr zusammen mit seinen Glückwünschen und Entschuldigungen – er hatte sie nicht entmutigen wollen, sondern wirklich nicht geglaubt, dass das Gesetz durchkommen würde. Greta und ihr Mann kamen, um mit ihnen zu feiern. Joseph tischte Champagner auf, und alle stießen auf Cora an. Sie war verlegen und ein bisschen müde, aber sie bemühte sich, sich über den guten Willen zu freuen. »Wie nett, Torte und eine Feier zu haben, ohne älter zu werden«, brachte sie heraus und dachte bei sich, wie schön es war, die Gesichter der Menschen, die sie liebte, über ihren kleinen Scherz lächeln zu sehen.
    Als sie später am Abend nur noch zu zweit im Haus waren und sich vor dem Waschbecken die Zähne putzten, tätschelte Joseph ihren Arm. »Jetzt kannst du dich ausruhen«, sagte er. »Du kannst den Ruhestand antreten.«
    Sie verdrehte die Augen. »Du hast gut reden«, murmelte sie und spülte den Mund aus. Joseph war vor Jahren in Pension gegangen, aber er verbrachte immer noch viel Zeit damit, die Autos anderer Leute zu reparieren. Ständig fragten Leute, ob er nicht helfen könne. »Ich bin wie du«, sagte sie. »Ich habe gern etwas zu tun.«
    Er legte den Kopf schief und betrachtete sie im Spiegel. »Es ist mehr als nur ein Hobby. Du machst schließlich keine Petit-Point-Stickereien.«
    Sie schwieg. Sie dachte an den Friedhof in McPherson, wie leicht der Regen beim letzten Mal gewesen war, als sie dort war, um auf dem Grab der Kaufmanns Unkraut zu jäten und Blumen zu setzen. Die Farm existierte nicht mehr, das Land war für den Bau kleiner Häuser mit angebauten Garagen in schmale Grundstücke aufgeteilt worden. Die Kaufmann-Kinder hatten ihr Land offensichtlich verkauft.
    »Du hast recht.« Sie steckte ihre Zahnbürste in den Halter. »Ich glaube, ich möchte etwas Gutes tun.«
    »Das hast du.« Er sah sie unverwandt im Spiegel an, bis sie verstand, was er meinte.
    Vielleicht wusste er es, vielleicht auch nicht. Aber er gab ihr das, bevor er starb. Einen Monat später, als er vor dem Haus den Motor eines Autos begutachtete, platzte ein Blutgefäß in seinem Gehirn. Es war mitten am Tag in ihrer ruhigen Straße, und niemand sah, wie er stürzte. Cora war im Haus und machte ein Nickerchen. Der kleine Nachbarsjunge, der vielleicht sieben Jahre alt war, sah Joseph, schon blau angelaufen, auf dem Bürgersteig liegen und rannte weinend nach Hause zu seiner jungen Mutter, die selbst weinte, als sie an die Haustür klopfte und Cora aus ihren Träumen weckte.
    Auch bei seiner Beerdigung waren alle sehr nett zu ihr. Eine schlimme Sache, einen Bruder zu verlieren, sagten sie, auch wenn sie nicht zusammen mit ihm aufgewachsen war und sie einander erst als Erwachsene kennengelernt hatten. Familie war Familie, und sie bedauerten sie für ihren Verlust. Aber was für ein Wunder, dass sie sich überhaupt gefunden hatten, sagten die Leute, und Cora wusste, dass sie versuchten, etwas Nettes zu sagen, weil sie genauso aussah, wie sie sich fühlte – verängstigt und elend. Aber sie sagte, ja, es wäre ein Wunder. Solch ein Glück, auch wenn es spät gekommen war, und sie sei dankbar für die Jahre, die sie miteinander gehabt hatten. Greta hielt ihre Hand, und Howard und Earle standen nacheinander auf, um liebevoll über ihren Onkel zu sprechen.
    Aber am längsten hielt sie sich an Raymond fest, langte über seinen Stock und presste ihr Gesicht an seine gebeugte Schulter, sodass sein dunkler Kragen glatt an ihrer Wange lag. Sie schloss die Augen wie ein Kind, das sich verstecken will, nur sie beide, die alles wussten.
    Später, als Cora so etwas wie ein Wunder für die Leute wurde, erst die fünfundachtzigjährige und dann die neunzigjährige Frau, die immer noch morgens aufstand und sich selbst ihren Kaffee kochte und die immer noch jeden Tag die Zeitung las, versuchte sie zu erklären, dass ihre gute genetische Veranlagung, ihre unbesiegbare Gesundheit, auch Nachteile hatte. Das Problem, erklärte sie, bestand darin, dass sie so viele Menschen, die sie
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