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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr
Autoren: Albert Schöchle
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liebreich versorgt, bis die
Großmutter wieder gesund war. Dabei hatte ich ein überraschendes Erlebnis. Als
ich mich einmal nach dem Mittagessen noch in der Küche herumtrieb, während alle
anderen in der Gärtnerei waren, stellte das anscheinend ebenso rationell
denkende wie sparsame Hausmädchen sämtliche gebrauchten Teller und Schüsseln
auf den Boden, damit der Hund Ami sie auslecken konnte, was er auch mit großer
Gründlichkeit besorgte. So, erklärte sie mir, fing sie gleich drei Fliegen mit
einer Klappe. Der Hund würde satt, das Spülwasser bliebe sauber und sie hätte
weniger Arbeit. Sie schien jedoch nicht ganz davon überzeugt gewesen zu sein,
daß ihre Methode die rückhaltlose Billigung ihrer Dienstherrschaft finden
würde, denn ich mußte strengstes Stillschweigen geloben.
    In dieser Gärtnerei wurde ich auch in
meinem Wunsch bestärkt, Gärtner zu werden. Eigentlich fühlte ich mich zum
Naturwissenschaftler berufen, aber der Gedanke an die vielen Studienjahre
ließen mich diesen Plan schnell wieder aufgeben.
     
     
     

Vetter Adolar oder
der geschundene Primus
     
     
    So waren die Ferien in Isny ein reines
Glück, aber in einem Sommer wurde meine Großmutter vor den Ferien krank. Ich
durfte sie zwar jeden Tag im Krankenhaus besuchen, was ich besonders gerne tat,
weil sie mir ihren Nachtisch aufhob, aber aus der Fahrt nach Isny wurde nichts.
Da kamen meine Eltern auf die umwerfende Idee, meinen Vetter Adolar einzuladen.
Er sollte mir nicht nur ein guter Ferienkamerad sein, sondern auch seinen
veredelnden Einfluß auf mich ausüben. Er war nämlich nicht nur chronischer
Klassenprimus, sondern kam ständig wie aus dem Ei gepellt daher. Dies
jedenfalls wurde mir erklärt. Die Erklärung war eindeutig und das beste Mittel,
mir den Besuch dieses »streberischen Zieraffen«, wie ich ihn gegenüber meinem
Busenfreund Philipp nannte, zu vermiesen. Dazu kam, daß er meinem Vater, als
ihn meine Eltern von der Bahn abholten, sein einserstrotzendes Zeugnis
überreichte, das mein Vater vor uns allen sofort entfaltete und vorlas:
»Betragen — mustergültig!«
    Zwischenruf meiner Mutter: »Siehscht!«
    Weiter: »Fleiß — vorzüglich,
unermüdlich!«
    Zwischenruf: »Hörscht!«
    Weiter: »Mitarbeit — beispielhaft!«
    Zwischenruf: »Und was hascht du?«
    Man stelle sich das schadenfrohe
Grinsen meines Vetters vor, dem meine Situation bekannt war, und man wird meine
Gefühle ermessen können.
    Zwischen Adolar und mir tat sich damit
eine Kluft auf, die mindestens bis zum Erdmittelpunkt reichte, und ich schwor
mir, mich blutig zu rächen. Der Zeitpunkt kam bald. Adolar, dem Einfluß seiner
ehrgeizigen Eltern entzogen, wollte bei uns zu gerne das freie und unbeschwerte
Leben eines waschechten Lausbuben führen. Er vertraute deshalb meiner Mutter
den Wunsch an, doch auch einmal, nur ein einziges Mal, ein so herrliches
Kleidungsstück wie meine kurze Lederhose tragen zu dürfen. Meine Mutter
erteilte mir den strikten Befehl, diesen Wunsch Adolars zu erfüllen. Da ich
einsah, daß eine Weigerung völlig hoffnungslos war und von meinem Busenfreund
Philipp in dieser Auffassung bestärkt wurde, beratschlagten wir, was zu machen
wäre. Plötzlich kam uns die Erleuchtung. Wir weichten die Lederhose in Wasser
ein und legten sie dann auf den Dampfradiator der Trockenkammer. Dadurch wurde
sie bockelhart. Gleichzeitig erklärte ich mich bereit, am nächsten Tag Adolar
nicht nur die Hose zu leihen, sondern mit ihm auch eine Tagestour auf den
Blender zu machen. Eigentlich hätte meiner Mutter so viel Freundlichkeit und
Entgegenkommen verdächtig erscheinen müssen, aber sie war nur gerührt und sagte
zu meinem Vater: »Siehscht, unser Albert hat doch einen guten Kern.« Sie machte
die Vesperbrote und überreichte sie Adolar mit den Worten: »Laßt euch alles
recht gut schmecken, ich habe euch noch etwas Besonderes hineingetan, teil es
mit dem Albert.«
    So zogen wir dann fürbaß. Adolar in der
Lederhose, ich in einem kurzen Leinenhösle. Bis auf den Mariaberg ging es ganz
gut. Unterwegs zeigte ich dem Adolar ein paar Quellfassungen von Bauernhöfen.
Dann fingen wir mehrere Molche, schraubten das Sieb an der Leitung eines
Bauernhauses ab, stopften die Molche in die Leitung und freuten uns an der
Vorstellung, wie die Bäuerinnen schauen würden, wenn die Molche aus der Leitung
in den Brunnentrog purzelten. Adolar wurde mir direkt sympathisch, als er
begeistert mitmachte und mich rückhaltlos als Mentor anerkannte. Da dachte
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