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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr
Autoren: Albert Schöchle
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ich,
daß man den Adolar vielleicht doch noch zu einem richtigen Menschen machen
könnte. Er tat mir fast leid, aber dann erinnerte ich mich wieder an das
Primuszeugnis und schritt weiter.
    Über den Mariaberg ging es noch
ziemlich gut, aber auf dem Abstieg zum Herrenwiesenweiher spreizte er die Beine
schon ganz beachtlich. Der Fuchsbau, den ich ihm zeigte, erregte nur noch sein
mäßiges Interesse. Als ich ihn auf die Bleßhühner und Wildenten auf dem
Herrenwiesenweiher aufmerksam machte und ihn aufforderte, mit mir Steine zu
schmeißen, damit sie aufflogen, reagierte er kaum mehr. Ich deutete auf den
Blender und sagte: »In einer Stunde sind wir oben und beim Rückweg weiß ich
eine Abkürzung.« Adolar spreizte seine Beine immer mehr, und ich erbot mich,
die Vesperbrote zu tragen. Als wir dann nach zwei statt nach einer Stunde auf
dem Blender ankamen, fragte ich ganz harmlos: »Adolar, was machst du für einen
Krattl?«, worauf er aufstöhnte: »Ah, mein Wolf!« Ich riet ihm, Puder darauf zu
streuen, und er solle ihn nur aus dem Stiletttäschchen nehmen. Und wirklich, in
der Seitentasche der Lederhose fand sich ein Röhrchen mit Vasenol-Kinderpuder.
Adolar sah mich dankbar an und verschwand hinter einem Busch, denn er war g’schamig.
Plötzlich ertönte ein furchtbarer Schrei, und ich glaube gar, es war
versehentlich Pfeffer in den Puder gekommen. Jedenfalls traten wir den Heimweg
getrennt an, aber das Vesperpaket hatte ich.
    Eine der unangenehmsten und von mir
meistgehaßten Eigenschaften meines Vetters war, daß er alles meiner Mutter
verklatschte. Ich beschloß deshalb wieder eine Strafexpedition. Mit scheinbarer
Freundlichkeit schlug ich ihm einen Ausflug vor. Adolar war gleich bereit
mitzukommen. Wir gingen an der Rottach entlang und kamen an einen überhängenden
Nagelfluhfelsen, der eineinhalb Meter über einen Gumpen hing. Als Adolar in das
Wasser hinunterschaute, reizte es mich natürlich, ihm einen Schubs zu geben.
Aber das wäre falsch gewesen, denn dann hätte ich ihn ja gleich verprügeln
können. Es mußte mir etwas Besseres einfallen. Ich hatte dann auch bald den
glücklichen Gedanken. Wir hörten, als wir die Wanderung fortsetzten, ein
komisches Klicken, und auf Adolars Frage erklärte ich ihm, daß das von einem
Widder komme. Höhnisch fragte er, was ein Schafbock im Wald zu suchen hätte.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß dieser Widder kein Tier, sondern ein
Apparat wäre, mit dem man Wasser zu höher gelegenen Höfen hinaufdrückt.
Inzwischen waren wir bei dem Widder angekommen und sahen, wie bei jedem Klicken
Wasser herausspritzte. Adolar staunte, und ich schloß meine Ausführungen mit
den Worten: »Und wenn man da draufdrückt, stellt man den Widder ab und auf dem
Hof läuft kein Wasser mehr.« Adolar drückte drauf, und prompt hörte das Klicken
auf. Er war entzückt, und ich sagte: »Jetzt müssen wir abhauen, bevor der Bauer
kommt.« Auf meinen
    Rat trennten wir uns, und ich empfahl
ihm, den Berg hinaufzulaufen. Ich lief nicht weit, sondern harrte der Dinge,
und schon bald ertönte ein Wehgeschrei sowie eine Männerstimme: »Dir will i
lehra, an Widder ab’schtella.« Ein mehrmaliges klatschendes Geräusch war Musik
in meinen Ohren. Seitdem weiß Adolar, daß man nach dem Abstellen eines Widders
den Berg hinunter- und nicht hinauflaufen muß.
    Bis zum Schluß der Ferien war die
Freundschaft zwischen Adolar und mir getrübt, und ich konnte ihn zu keinem
Ausflug mehr überreden.
    Ich hätte auch kaum mehr Zeit dazu
gehabt, denn meine Hasen hatten Junge, desgleichen die weißen Mäuse. Außerdem
pflegte ich zwei junge Marder, die mich vollständig in Anspruch nahmen. In
ihren Besitz war ich auf merkwürdige Weise gekommen. Ein Gast auf Nummer 23
hörte nachts Tritte auf dem Blechdach vor seinem Fenster. In der nächsten Nacht
hörte er sie wieder, und er sah ein Tier über das Dach schleichen. Darauf wurde
der Stadtjäger verständigt. Er legte sich auf die Lauer und schoß das Tier ab.
Es war ein Marder mit etwas Milch in den Zitzen. Philipp und ich hatten
herausgefunden, daß das Tier gesäugt hatte. Aber wir sagten dem Jäger nichts,
weil wir hofften, daß wir die Jungen, die von ihrer Mutter nun nicht mehr
gefüttert werden konnten, finden und fangen könnten. Wir stellten eine alte
Rattenfalle auf und beköderten sie mit einem Ei. Nach drei Nächten hatten wir
die beiden jungen Marder gefangen; wir brachten sie in einer Bierkiste
provisorisch unter, bis wir aus einem alten
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